Am Sonntag verwandelte sich das Festzelt an der Sittarder Straße mit der KG Roahser Jonges in einen Ort der närrischen Innovation: Bei der erstmaligen Durchführung der katholischen Sitzung „Hinger d´r Tuun“ wurde auf charmante Weise mit Traditionen gebrochen – oder besser gesagt, sie wurden neu interpretiert. Mit dem Konzept der Geschlechtertrennung, das durch einen symbolischen Zaun inszeniert wurde, sorgte die Veranstaltung für Staunen und Begeisterung gleichermaßen.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker und Martin Häming
Viersche … Roahser – Der Zaun, der die Herren und Damen des Publikums auf getrennte Seiten des Festzeltes führte, war jedoch kein starres Hindernis. Stattdessen bestand er aus einem luftigen Faden-Vorhang, der die Trennung augenscheinlich machte, aber den Dialog und die gegenseitigen Zurufe in humorvoller Weise förderte. Ganz nach dem Motto „getrennt-gemeinsam-feiern“ entwickelte sich so eine ausgelassene Stimmung, bei der die Geschlechter in einen lebhaften Wettbewerb der Zurufe, Witze und Sticheleien traten.
Inspiriert von der bewährten Tradition des Kölner Traditionscorps „Jan van Werth“, wagten die Roahser Jonges dieses Experiment auch in Viersen. Mit Erfolg! Vorsitzender und Sitzungspräsident Wolfgang Genenger zeigte sich begeistert: „Wir wollen ein neues Sitzungsprofil schaffen – und das ist uns heute gelungen.“ Die perfekte Mischung aus Programmhighlights des Kölner Karnevals und lokalen Stars ließ aber auch wirklich keinen Wunsch offen. Das geschmückte und beheizte Festzelt bot dazu wie schon an den Abenden zuvor die perfekte Bühne für die Künstler. Bereits beim Einlass sorgte DJ Detlef Belk für erste Partystimmung, die sich nahtlos in den offiziellen Start übertrug.

Die Sitzung „Hinger d´r Tuun“ begann mit einem feierlichen und mitreißenden Auftakt, der das Publikum sofort in die närrische Welt entführte. Unter Applaus marschierte die Gesellschaft der Roahser Jonges mit dem Viersener Tambour Corps 1925 e.V. ins Festzelt ein. Begleitet von rhythmischen Klängen und jubelnden Rufen bahnten sich die Mitglieder den Weg durch die Menge, die ihren Stolz und ihre Freude über diese traditionsreiche Gesellschaft lautstark zum Ausdruck brachte.

Den ersten Höhepunkt des Tages setzten dann die strahlenden Prinzenpaare der Narrenherrlichkeit Viersen Prinz Jürgen I. und Prinzessin Ela I., sowie das Kinderprinzenpaar Prinz Cilian I. und Prinzessin Marisa I. Mit charmanten Worten richteten sie sich in einer kurzen Rede an das Publikum, in der sie ihre Freude über die karnevalistische Gemeinschaft und die Einzigartigkeit des neuen Veranstaltungsformats zum Ausdruck brachten. Sie ermutigten alle Närrinnen und Narren, ihre Stimmen und Herzen zu erheben und den Karneval in vollen Zügen zu genießen.

Direkt im Anschluss sorgte dann das Kinderprinzenpaar mit seinem mitreißenden Tanz und die Viersener Prinzengarde für eine weitere Stimmungskanone. Nun müssen wir ja mal ehrlich sein, die Jungs äh Herren sind schon richtig gut, aber der wahre Stern des Auftritts war das talentierte Solomariechen der Prinzengarde, das mit einem mitreißenden Tanz das Festzelt in Begeisterung versetzte.
Ein weiteres Highlight des Nachmittags war der Auftritt der Roahser Funken, die natürlich nicht fehlen durften. Die Entstehung dieser Gruppe ist eine Erfolgsgeschichte: Im Sommer 2023 ins Leben gerufen, entwickelte sich die Garde aus der Jugendarbeit des Vereins und bewies bereits nach wenigen Monaten, welch enormes Potenzial in ihr steckt. Am 11. November 2023 präsentierten die Roahser Funken beim Sessionsauftakt erstmals einen Gardetanz, der das Publikum restlos begeisterte. Diese Begeisterung trugen sie auch in die Sitzung „Hinger d´r Tuun“, wo sie mit präzisen einstudierten Schrittkombinationen, einer mitreißenden Choreografie und ansteckender Freude an der Bewegung erneut für Furore sorgten. Die Begeisterung der Närrinnen und Narren war spürbar, und so eroberten sich die jungen Tänzerinnen einen festen Platz in den Herzen des Publikums.

Kaum waren die letzten Takte der Roahser Funken ausgeklungen, da eroberten zwei echte Publikumslieblinge die Bühne: Willi & Ernst, mit ihrem Programm „Rentner ohne Grenzen“, brachten das Festzelt an der Sittarder Straße mit ihrem urkomischen Zwiegespräch zum Toben. Die Charaktere Willi und Ernst, dargestellt von den erfahrenen Schauspielern Dirk Zimmer und Markus Kirschbaum, fesseln mit ihrem ganz eigenen Stil, der klassische Zweigespräch-Traditionen mit moderner Komik verbindet. Mit pointierten Dialogen, komödiantischem Slapstick und ihrer unvergleichlichen Publikumsnähe trafen sie auch bei „Hinger d´r Tuun“ den Nerv der Zuschauer.
Mit ihrem Programm, das an diesem Nachmittag eine gelungene Mischung aus Improvisation, scharfzüngigen Pointen und liebevoller Situationskomik bot, bewiesen Willi & Ernst, warum sie auf den Bühnen des rheinischen Karnevals – und weit darüber hinaus – gefeiert werden. Die beiden Charaktere spielen sich gegenseitig die Bälle zu, und das mit einer Leichtigkeit, die aus jahrelanger Erfahrung und perfektem Timing resultiert.
Auch beim Publikum in Viersen kamen die beiden „Rentner ohne Grenzen“ bestens an. Mit frechen Sprüchen, augenzwinkernden Kommentaren zur Geschlechtertrennung der Sitzung und ihrem Talent, das Publikum aktiv einzubinden, brachte sie den Saal zum Beben. Ihre „begnadeten Körper im Takt der Musik“, wie sie selbst augenzwinkernd sagen, sorgten für zusätzlichen Lacher und Applaus.

Nach dem mitreißenden Humor von Willi & Ernst war es Zeit das Festzelt tänzerisch erneut zum Beben zu bringen und so folgte die Süchtelner Showtanzgruppe, die den Schwung und die Begeisterung nahtlos fortführte. Unter dem Motto „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ präsentierten die talentierten Tänzerinnen eine beeindruckende Choreografie, die Kreativität.
Die Showtanzgruppe gehört übrigens zu den Süchtelner Tanzgarden und als eine der jüngsten und dynamischsten Gruppierungen des Festausschusses Süchtelner Karneval haben die Garden eine beeindruckende Entwicklung hinter sich. Doch die Süchtelner Tanzgarde ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. Die Webergarde bewies bei „Hinger d´r Tuun“, dass sie weit mehr als eine Karnevalsgarde ist. Neben den klassischen Auftritten zur Karnevalszeit tritt die Webergarde mit einer Turniergarde auch auf der Wettkampfebene des Rheinischen Karnevals-Korps (RKK) und bei Freundschaftsturnieren an – und das mit großem Erfolg.
Besonders beeindruckend ist die Leistung der beiden talentierten Solomariechen Kaisa und Anika, die nicht nur die Bühne, sondern auch die Wettkampfbühnen erobern. Kaisa, die sich in ihrem zweiten Turnierjahr 2024 unter den besten Tänzerinnen Nordrhein-Westfalens platzieren konnte, erreichte einen beachtlichen 22. Platz von 33 Teilnehmerinnen bei den NRW-Landesmeisterschaften. Diese Leistung ist ein Zeugnis für das Können, die Disziplin und die Leidenschaft, die in der Süchtelner Tanzgarde steckt.

SchmitzMarie, die sechsköpfige Band aus der Voreifel, eroberte die Bühne und das Publikum mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus rheinischer Lebensfreude und authentischer Kölscher Musik. Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 haben sich die Jungs aus Rheinbach einen Namen gemacht, der in der Karnevalsszene und darüber hinaus für Qualität und Party-Stimmung steht.
SchmitzMarie steht für handgemachten Kölsch-Rock, der die Tradition der Kölschen Musik modern interpretiert. Ihr Markenzeichen ist der sogenannte Trumm-Trööt-Sound, der sich bei den kräftigen Bläsereinsätzen, mitreißenden Rhythmen und eingängigen Melodien zu einer explosiven Mischung verschmelzen lässt. Egal, ob sie altbekannte Klassiker oder eigene Interpretationen spielen, ihre Musik ist ehrlich, mundgeblasen und sorgt unweigerlich dafür, dass kein Fuß noch bleibt. Mit Liedern, die von rheinischer Lebensfreude, Zusammenhalt und der Liebe zur Heimat erzählen, erweckte SchmitzMarie den Kern des kölschen Karnevals zum Leben.

Aber da fehlt doch noch ein heimisches Gewächs der Roahser Jonges … oder? Aber ja, denn den kreativen Geist und den Gemeinschaftssinn der KG Roahser Jonges verkörpern auch die Wibbels. Die talentierten Tänzer sind längst fester Bestandteil des Programms und begeistern jedes Jahr aufs Neue mit originellen Darbietungen, die Tradition und Innovation auf beeindruckende Weise verbinden.
Die Erfolgsgeschichte der Wibbels begann 2011, als die KG Roahser Jonges ihr 75-jähriges Bestehen feierte. Einige Herren wollten an diesem besonderen Jubiläumsfrühstück etwas Einzigartiges beitragen und beschlossen alte Kostüme der Karnevalsgesellschaft in einem spritzigen Tanz zu präsentieren. Ihr humorvoller und energiegeladener Auftritt kam so gut an, dass die „Roahser Wibbels“ schnell über den Status eines Einmalprojekts hinauswuchsen.
Bereits ein Jahr später wurden sie erstmals eingeladen, auf den Galasitzungen der KG Roahser Jonges zu tanzen. Seitdem sind sie eine feste Größe im Karnevalsprogramm und überraschen ihr Publikum jedes Jahr mit neuen, kreativen Ideen und Choreografien. Die Wibbels sind zudem längst nicht nur in Viersen eine Attraktion. Ihr einzigartiger Stil und ihre unterhaltsamen Performances haben sie weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht. Anfragen für Auftritte erreichen die Gruppe mittlerweile auch aus anderen Regionen, und so tragen die Wibbels den Geist des Roahser Karnevals in der Welt.

Nach den mitreißenden Tänzen und humorvollen Darbietungen eroberten die Ratsherren Unkel die Bühne – eine Musikgruppe, die seit Jahrzehnten für stimmungsvolle Unterhaltung und musikalische Vielseitigkeit steht. Mit ihren schwarzen Gehröcken, ihrem unverwechselbaren Auftreten und einem Repertoire, das keine Grenzen kennt, sind sie ein Garant für gute Laune und mitreißende Stimmung.
Die Erfolgsgeschichte der Ratsherren begann am Rosenmontag des Jahres 1984 in Unkel am Rhein, einem malerischen Weinstädtchen mit großer Tradition. Was als spontane Idee unter Freunden entstand, entwickelte sich schnell zu einer festen Institution im rheinischen Karneval. Der Name „Ratsherren“ wurde ihnen vom damaligen Unkeler Bürgermeister verliehen, der sie beim Winzerfest stolz als „meine Ratsherren“ präsentierte – ein Titel, der perfekt zu ihrer eleganten Erscheinung und ihrem gehobenen musikalischen Stil passt.
Besonders beliebt sind ihre internationalen Potpourris, bei denen sie klassische Melodien humorvoll in ihr Programm einweben und mit rheinischer Leichtigkeit interpretieren. Ihr musikalisches Markenzeichen, der Hit „Ice Cream“, ist jedes Mal ein Highlight ihrer Auftritte und sorgt für tosendes Gelächter und lauten Applaus.

Als die Sugar Girls die Bühne betraten, schien das gesamte Festzelt elektrisiert. Mit ihrer mitreißenden Performance, eindrucksvollen Akrobatik und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen begeisterte die bekannte Showtanzgruppe aus dem Kreis Euskirchen das Publikum. Die rund 35 Tänzerinnen der Sugar Girls haben sich in Nordrhein-Westfalen längst einen Namen gemacht. Sie stehen für spektakuläre Auftritte, die nicht nur tänzerische, sondern auch Kreativität, Leidenschaft und Teamgeist ausstrahlen. Jede Saison erarbeitet sie ein völlig neues Programm, das mit viel Liebe zum Detail, aufwendigen Choreografien und beeindruckender Akrobatik überzeugt. Dabei verbinden sie Elemente modern mit klassischen Showtanzeinlagen.
Unter dem diesjährigen Sessionsmotto „Stahlwerk“ präsentierten die Sugar Girls eine fulminante Darbietung, die dem Publikum den Atem raubte. Mit präzisen Bewegungen, atemberaubenden Hebefiguren und synchronen Drehungen brachten sie das Motto zum Leben. Die Tänzerinnen wirkten wie leuchtende Funken, die die Bühne in ein wahres Meer aus Farben und Energie verwandelten. Hinter diesem spektakulären Auftritt stecken unzählige Stunden harter Arbeit und intensives Training. Jede Hebung, jede Drehung und jeder Tanzschritt wurden mit größter Präzision einstudiert, um auf der Bühne Perfektion zu präsentieren. Doch trotz all der Arbeit strahlten die Sugar Girls pure Lebensfreude aus – eine Leidenschaft, die ansteckend wirkte und das Publikum in ihren Bann zog.

An sie schlossen sich die Boore an, die man eigentlich nicht mehr vorstellen muss, denn mit ihnen verwandelte sich das Festzelt in einen Ort voller Energie, Lebensfreude und kölscher Heimatverbundenheit. Die fünf sympathischen Musiker bewiesen einmal mehr, warum sie seit Jahren als eine der beliebtesten Kölsch-Bands gelten. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus mitreißenden Hits, charmanter Bühnenpräsenz und echtem rheinischen „Jeföhl“ rissen sie das Publikum von den Sitzen.
Die Boore haben sich im Laufe der Jahre immer wieder neu erfunden, ohne dabei ihre kölschen Wurzeln zu vergessen. Ihr Hit „Tschau mit Au“ aus dem Jahr 2018 war ein weiterer Meilenstein in ihrer Karriere. Der Song brachte die Band nicht nur ins Radio, sondern auch in großen TV-Formaten wie „Immer wieder Sonntags“ mit Stefan Mross und den ZDF-Fernsehgarten mit Andrea Kiewel. Kein Wunder, dass Kiwi selbst erklärte: „Auf einer Skala von 1 bis 10 – und dabei wären 10 super – sind diese Jungs eine 11.“
Bei ihrem Auftritt im Roahser brachten die Boore das Festzelt zum Beben. Mit einer Mischung aus bekannten Klassikern und neuen Songs schufen sie eine Atmosphäre, die sowohl für ausgelassene Party-Stimmung als auch für emotionale Gänsehautmomente sorgt. Ihre authentische Ausstrahlung und der direkte Kontakt zum Publikum machen den Auftritt zu einem der vielen Höhepunkte des Abends.
Als die letzten Töne verklangen und der Applaus kein Ende nehmen wollte, war klar: Die Boore hatten die Herzen der Viersener im Sturm erobert. Ihre Botschaft von Lebensfreude, Zusammenhalt und kölschem Charme hallte noch lange nach – ein musikalisches Erlebnis, das unvergessen bleibt.

Als krönender Abschluss des Abends eroberten die Fauth Dance Company Ladies & Gentlemen die Bühne und setzten mit ihrem atemberaubenden Auftritt das sprichwörtliche i-Tüpfelchen auf die Veranstaltung. Die Formation, die aus der renommierten Fauth Dance Company hervorgegangen ist, repräsentiert nicht nur die Heimatstadt Viersen, sondern auch die perfekte Symbiose aus Tradition und Moderne im Karneval.
Ergänzt werden die Ladies seit einigen Jahren durch die Gentlemen, die sich in kürzester Zeit einen Namen gemacht haben. Diese dynamischen Tänzer bringen frischen Wind in jede Aufführung. Ihre energiegeladenen Moves ziehen das Publikum sofort in ihren Bann. Dabei gelingt es ihnen, den traditionellen Karneval mit modernen Showelementen zu verbinden und ihn auf eine völlig neue Ebene zu heben. Im Rahser zeigten die FDC Ladies & Gentlemen erneut, warum sie auf so vielen Bühnen in Nordrhein-Westfalen gefeiert werden. Das Publikum ehrte ihre Darbietung mit tosendem Applaus und Standing Ovations.

Ihr Erfolg auf den großen Bühnen des Kölner Karnevals und darüber hinaus zeigt, dass sie weit mehr als nur eine lokale Tanzgruppe sind – sie sind echte Botschafter der rheinischen Lebensfreude. Mit ihrem Auftritt schlossen die FDC Ladies & Gentlemen den Abend auf grandiose Weise ab und hinterließen ein Publikum, das sowohl vor Begeisterung als auch vor Stolz auf die eigene Heimat erfüllt war. Ein perfekter Abschluss für eine unvergessliche Sitzung. Am Ende blieb kein Auge trocken und keine Kehle still, als gemeinsam „In unserem Veedel“ angestimmt wurde. Nach der Sitzung heizte DJ Detlef Belk die Stimmung erneut an und verwandelte das Festzelt in eine ausgelassene Partylocation.

„Hinger d´r Tuun“ zeigte eindrucksvoll, dass Tradition und Innovation Hand in Hand gehen können. Die skeptischen Stimmen im Vorfeld verstummten angesichts der grandiosen Stimmung, die in jedem Lacher und jedem Zuruf spürbar war. Die KG Roahser Jonges haben mit diesem neuen Format den Grundstein für eine weitere karnevalistische Erfolgsgeschichte gelegt – und bewiesen, dass Viersen auch abseits des Mainstreams feiern kann. Nächster Halt: „Hinger d´r Tuun“ 2026? Die Chancen stehen gut, dass dieses Experiment zur neuen Tradition wird. (nb)
