Das Kempener Unternehmen Realise will jungen Menschen bei ihrer „Social Media-Sucht“ helfen – und zwar per App.
Kempen – Während der Abschlussfahrt mit seiner Stufe wurde Lasse Kaatz klar, dass er etwas ändern will: „Wir waren zusammen in Paris, und nach dem üblichen kulturellen Pflichtprogramm habe ich in meinem Zimmer gefragt, wer noch ein bisschen mit um die Häuser zieht.“ Das erschreckende Ergebnis: „Alle anderen sechs Jungs wollten lieber im Zimmer bleiben und sich mit ihren Handys befassen. Das hat mich total schockiert.“ Dabei ist auch Lasse Kaatz mit dem Smartphone groß geworden, war geradezu „süchtig nach Social Media und Gaming“, wie er offen sagt. „Es gab Zeiten, da haben wir nur wenig Tageslicht gesehen“, ergänzt sein bester Freund Moritz Flachsland, dem es nicht besser erging. Doch die Zeiten sind vorbei. Jetzt hat das Duo vom Niederrhein dem „Handywahn“ dem Kampf angesagt – auf innovative und spielerische Weise.
Noch während der Abiturphase im vergangenen Frühjahr haben die heute 18-Jährigen ein Startup ins Leben gerufen. Nach einem zweimonatigen Interrail-Trip durch halb Europa – den sie auch zum Brainstorming genutzt haben –, widmen sie sich inzwischen in Vollzeit ihrer Vision. Mit der Realise GbR, die in Kempen sitzt, wollen sie jungen Menschen aus der „Social Media-Falle“ helfen, wie sie es nennen. Vor allem das „Dauer-Scrollen“, also das exzessive und oft unwillkürliche Sichten von Social Media-Inhalten per Daumen, sei ein großes Problem. „Allein in unserem Umfeld kennen wir zig Leute, die ihrem Medienkonsum deutlich reduzieren sollten. Betroffen aber ist natürlich ganz Deutschland“, so Moritz Flachsland.
Die Gründer wollen keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger auftreten. „Das passt nicht zu uns und würde auch überhaupt nichts bringen“, sagt Lasse Kaatz. Mit typischen Eltern-Sätzen wie „Leg’ doch mal das Handy weg“ oder „Geh doch mal an die frische Luft“ seien junge Menschen nicht zu erreichen. „Die Veränderung muss von innen her kommen. So wie wir es selbst bei uns erlebt haben“, meint Moritz Flachsland. „Wir wollen den Betroffenen einen Spiegel vorhalten.“
Und das soll – ausgerechnet – über das Medium Smartphone passieren. Das Duo will eine App entwickeln, die einen „individuellen Lernpfad“ aufzeigen soll. Dabei wollen sie genau jene Dopamin-Reize nutzen, die als so problematisch beim andauernden Handy-Konsum gelten. „Durch Rankings und Challenges sollen die User auf sportlich-spielerische Weise dazu bewogen werden, ihr Verhalten zu hinterfragen und Schritt für Schritt zu ändern“, erklärt Lasse Katz. Und schon heute nutzt das Duo selbst Social Media, um auf sein Tun aufmerksam zu machen (@Realise).
Unterstützung erhalten Kaatz und Flachsland von Anfang an von der Gründungsberatung bei der WFG Kreis Viersen. „Wir sind beim Googeln darauf gestoßen. Es ist wirklich eine große Hilfe“, sagt Lasse Kaatz. Dank eines Gründungsstipendiums NRW, das aus 1.200 Euro pro Person und Monat für ein Jahr besteht, haben sie den Kopf und den Kalender frei für ihre Geschäftsidee. In gut einem Jahr, so schätzen sie, könnte ihre App online gehen.
Wer mehr über das Duo – sowie viele weitere Gründerinnen und Gründer aus dem Kreis Viersen – erfahren möchte, findet ihre Geschichten als Video-Storys hier:
https://wfg-kreis-viersen.de/gruendungsgeschichten/ (opm)

