Literarisches: Neuer Papst. Neue Kirche?

Nach dem Papst ist vor dem Papst. Das war dir bewusst, lieber Papst Franziskus, als du dich in überirdische Sphären zurückgezogen hast.
Von Peter Josef Dickers

Literarisches – Favorisiert für deine Nachfolge war der Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa. Ein Papst aus dieser Stadt giltlt als starkes Zeichen in unseren bewegten Zeiten. Ob sich die Kardinäle für ihn als deinen Nachfolger auf dem Apostolischen Stuhl entscheiden oder schon entschieden haben, wird weißer Rauch aus einem Schornstein der Sixtinischen Kapelle uns wissen lassen. Ob der neue Papst wie du im vatikanischen Gästehaus, statt im Apostolischen Palst „residieren“ wird, werden wir bei Gelegenheit erfahren.

Ein bisschen wirst du vermutlich am Rad gedreht haben, dahin geschiedener Papst Franziskus, ehe du dich in himmlische Gefilde verabschiedet hast. Das erlauchte Kardinals-Gremium hast du internationaler gemacht. Auch jenseits von Argentinien und Italien hast du für den Fall des Falles papsttaugliche Kandidaten entdeckt. Männer natürlich. Zu Frauen in solchen Ämtern konntest du dich noch nicht durchringen, obwohl du am Gründonnerstag auch die Füße weiblicher Gefängnisinsassen gewaschen hast. Erinnerst du dich? Du wolltest, wie man annehmen kann, nichts dem Zufall oder den Strippenziehern überlassen. „Coriger la fortune.“ Dem Glück ein wenig nachhelfen, heißt das bei den Franzosen.

„Alles neu macht der Mai“ singt man in einem Volkslied. Ob es auch im Gesangbuch deines Nachfolgers einen Platz finden wird? Für die vatikanische Unfehlbarkeitsbehörde, die auch dir im Nacken saß, sind Reformen nicht unbedingt notwendig. Ein neuer Papst muss sein. Von einer „neuen Kirche“ hat sie nicht so viel gehalten. Sie erfreut sich am Glockengeläut vergangener Epochen. Hast du deinen Nachfolger davor gewarnt, sich mit diesen Leuten nicht unnötig anzulegen?

Es wird dir während deiner irdischen Wanderschaft nicht entgangen sein, dass den Kirchen Mitglieder davon laufen. „Wir haben Plätze frei“, lautet der neue Slogan. Erinnerst du dich? Das Umfunktionieren leer stehender Kirchen bietet sich seit geraumer Zeit als Geschäftsmodell an. Auch Einkaufszentren, Postämter und Krankenhäuser werden ja überflüssig. Das „Jedermann-Spiel“ vom Sterben des reichen Mannes erhält aktuelle Bedeutung. Das gilt auch für offenbar überflüssig gewordene Kirchen mit viel Vergangenheit und wenig Zukunft. Eine Wohnungsbaugesellschaft preist den Umbau einer Kapelle in Wohnungen an. Künftigen Bewohnern wird das Flair eines historischen Kreuzgewölbes im Obergeschoss versprochen. In den Niederlanden wurde aus jeder fünften Kirche ein Museum, ein Modegeschäft oder wie in Maastricht der Boekhandel Dominicanen.

„Wir müssen uns tiefgreifend ändern.“ Das gesteht die Evangelische Rheinische Kirche ein. Deine von dir zwölf Jahre lang geleitete Amtskirche, unvergessener Papst Franziskus, sieht das anders. „Menschen wenden sich von uns ab? Höchstens vorübergehend. Ausschließlich wir sind für das Seelenheil zuständig.“ Auf Christian Morgensterns Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ beruft sie sich möglicherweise: „Nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Erbstücke werden gepflegt, auch wenn sie nicht mehr in die Zeit passen. Ein Bischof, den du nicht ins Kardinalskollegium berufen hast, gab dem gegenüber zu verstehen, die Kirche sollte sich nicht hinter Regeln verstecken, die niemand versteht. Erinnerst du dich an ihn?

Auf deinen Nachfolger kommt eine Menge Arbeit zu, Papst Franziskus. Vielleicht kannst du ihm von deinen Himmelshöhen aus einige Portionen Mut einflößen. Statt sich viel vorzunehmen und wenig zu erreichen, ist es nicht verkehrt, nicht übereilt zu agieren. Neue Akzente für eine alt gewordene Kirche sind so schnell nicht zu erwarten. Leere Kirchen werden sich nicht so schnell wieder füllen. Aber auch sich hinziehende Wege und Umwege sind Wege. Es ist besser, späte Entscheidungen zu treffen als keine. Sag ihm das, wenn du es ihm nicht schon gesagt hast. (opm)

Petersdom Rom
Foto: Rheinischer Spiegel

Foto: Privat

Peter Josef Dickers wurde 1938 in Büttgen geboren. Nach einem Studium der Katholischen Theologie sowie der Philosophie und Pädagogik in Bonn, Fribourg/Schweiz, Köln sowie Düsseldorf erhielt er 1965 die Priesterweihe. Anschließend  war er in der Seelsorge und im Schuldienst tätig, bis er sich 1977 in den Laienstand rückversetzen ließ und heiratete. Nach der Laisierung war er hauptamtlich tätig an den Beruflichen Schulen in Kempen (jetzt Rhein-Maas-Kolleg) mit den Fächern Kath. Religionslehre, Pädagogik, Soziallehre, Jugendhilfe/Jugendrecht.

„Seit der Pensionierung bin ich weiterhin engagiert durch meine Schreibtätigkeit, mein Vorlese-Engagement in diversen Einrichtungen und sonstige Initiativen. In den Sommermonaten lese ich zeitweise als „Lektor“ auf Flusskreuzfahrt-Schiffen aus meinen bisher erschienenen Büchern“, so Peter Josef Dickers, der mittlerweile in Mönchengladbach beheimatet ist.