„Buchen Sie vorab Ihre Lieblingsausflüge und reservieren Sie online. Wir haben das Ausflugsprogramm speziell für Sie zusammengestellt. Über das Absenden des Formulars wird Ihre Reservierung an Bord vorgemerkt.“
Von Peter Josef Dickers
Literarisches – Gestern hatte ich mich entschlossen, den dreitausend Kilometer langen Strom per Schiff zu erkunden, ihn zu er-fahren. Heute werde ich aufgefordert, Schiff und Strom zu verlassen und an Land zu gehen. Es gebe dort viel zu sehen. Liegt das Schöne am Fluss neben dem Fluss?
Ich hätte eine Schiffsreise buchen können, die jede Menge Kuriositäten versprach: Vergnügungspark auf dem Sonnendeck. Wellness-Landschaft für hohe Ansprüche. Bungee- und Luft-Sprünge per Fallschirm. Ich verzichtete auf Luftsprünge und sonstige Abnormitäten. Ich buchte eine Reise auf dem Fluss.
Jetzt werde ich animiert: „Bei einem Rundgang sehen Sie das Militärmuseum. Es beherbergt Erinnerungsstücke an vergangene Kriege.“ Über ehemalige und gegenwärtige Kriege halten mich Medien auf dem Laufenden. Warum soll ich sie besichtigen? Den Fluss will ich sehen, ihn erleben. Mich treibt nichts ins Museum.
Vom Zauber der Ereignislosigkeit will ich mich einfangen lassen, den Luxus des Stillstands erleben. Ich bin nicht hier, um mich zu zerstreuen. Ich mache es mir im Liegestuhl bequem, überlasse mich dem Fluss und dem Himmel.
In seinem Buch „Die Verwandlung der Welt“ berichtet Jürgen Osterhammel von einem buddhistischen Mönch auf dem Weg zu einem Heiligtum. „Da er sich alle drei Schritte zu Boden warf, benötigte er für anderthalbtausend Kilometer zwei Jahre.“ So lange dauert meine Reise nicht. Der Engel der Gelassenheit wird mich inspirieren, das zu tun, was mir wichtig erscheint.
„Wenn Sie bis 18 Uhr gebucht haben, können wir Ihnen einen Platz für die Besichtigung des Nationaltheaters und der alten Stadtwaage reservieren.“ Wollte ich diese geschichtsträchtigen Orte besuchen? Eine alte Waage steht bei mir daheim im Keller. Mag sein, dass die Stadtwaage nach anderen Prinzipien funktioniert und für größere Gegenstände konstruiert wurde als meine Haushaltswaage. Vielleicht sehe ich mir die Stadtwaage an, wenn ich in der Nähe bin.
Muss ich mich verplanen lassen und etwas unternehmen, wenn es mir auf dem Schiff gefällt? Ist es ein Nachteil, keinen Erlebnishunger zu verspüren und nichts zu tun? Ist nichts tun nutzlos? Es mag Leute unruhig machen, die Hände in den Schoß zu legen, statt die Unterhaltungs-Maschinerie in Gang zu setzen. Es mag Reisende im Dauer-Ausnahme-Zustand geben, die keine Minute ungenutzt verstreichen lassen. Es mag jemanden frustrieren, nur darauf zu warten, dass die Sonne untergeht. Auf mich wirkt das entspannend.
Ich bin nicht auf Schnäppchen-Tour und muss nicht überall gewesen sein. Ich habe keine Springprozession gebucht, die mich von einem Ort zum anderen treibt. Die Hälfte kann mehr sein als das Ganze, hat der griechische Dichter Hesiod vor dreitausend Jahren gesagt. Für mich ist das eine Aufforderung zum Nichtstun. Der Mann ist mir sympathisch.
Aus: Peter Josef Dickers, Du lieber Himmel
Peter Josef Dickers wurde 1938 in Büttgen geboren. Nach einem Studium der Katholischen Theologie sowie der Philosophie und Pädagogik in Bonn, Fribourg/Schweiz, Köln sowie Düsseldorf erhielt er 1965 die Priesterweihe. Anschließend war er in der Seelsorge und im Schuldienst tätig, bis er sich 1977 in den Laienstand rückversetzen ließ und heiratete. Nach der Laisierung war er hauptamtlich tätig an den Beruflichen Schulen in Kempen (jetzt Rhein-Maas-Kolleg) mit den Fächern Kath. Religionslehre, Pädagogik, Soziallehre, Jugendhilfe/Jugendrecht.
„Seit der Pensionierung bin ich weiterhin engagiert durch meine Schreibtätigkeit, mein Vorlese-Engagement in diversen Einrichtungen und sonstige Initiativen. In den Sommermonaten lese ich zeitweise als „Lektor“ auf Flusskreuzfahrt-Schiffen aus meinen bisher erschienenen Büchern“, so Peter Josef Dickers, der mittlerweile in Mönchengladbach beheimatet ist.