Unterirdisches Notkrankenhaus am Viersener Pestalozziweg bietet Material für Flüchtlingsunterkunft

Bereits seit 1963 ist das unterirdische Notkrankenhaus am Pestalozziweg unter der leerstehenden Hauptschule Süd vollständig eingerichtet. Für Bombenangriffe geplant, werden die Feldbettengestelle aus Metall von 1967 nun für eine Flüchtlingsunterkunft genutzt.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Viersen – An der alten Hauptschule Süd am Viersener Pestalozziweg wurde es am Samstag lebendig. Während am Morgen noch die Süchtelner Feuerwehr engagiert anpackte, wurden die Einsatzkräfte am frühen Nachmittag von den Viersener Kollegen abgelöst. Keine Aufgabe, wie sie bisher geprobt werden konnte oder gar auf dem normalen Aufgabenzettel stand. Vielmehr eine Herausforderung in einer Zeit, in der anscheinend nicht alle Menschen genug aus dem vergangenen Weltkrieg gelernt haben.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland steigt täglich an. Mit Rückblick auf das Jahr 2015 wollen Bund und Länder das bereits bekannte Chaos verhindern und eine schnelle Registrierung sowie Verteilung der Menschen auf die Länder und Kommunen organisieren.

Bisher konnten die Neuankömmlinge in Viersen privat untergebracht werden, damit allerdings auch alle weiteren Flüchtlinge einen Platz finden, muss passendes Material her.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Hierbei wird die akute Situation von einer Besonderheit begleitet, denn die noch verpackten und nun vollständig gereinigten Feldbetten stammen aus dem Notkrankenhaus, welches in den 1960er-Jahren unter der Schule errichtet wurde.

Nie genutzt, wurden Teile zwischenzeitlich als Lager genutzt, bisher blieb die Region von Luftangriffen mit Blick auf den Kalten Krieg verschont. Bis zu 800 Patienten hätten in dem rund 2.000 Quadratmeter unterirdischen Tunnelsystem einen Platz gefunden. Benutzbar sind die Räume allerdings nicht mehr.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Der Weg zum Bettenlager führt vorbei an kalten Betonwänden, es riecht feucht, überall ist Schimmel sichtbar, die Leuchtstoffröhren bieten ein bedrückendes Licht. Ein Schild zeigt in welche Richtung es geht, denn im Untergrund erwartet die Feuerwehrler fast ein Labyrinth aus Tunneln mit angrenzenden Räumen und sogar Schlafsälen, die für einen möglichen Bombenangriff 1963 angelegt wurden.

Lange kann sich hier niemand aufhalten, denn der Luftaustausch fehlt einfach. Für einen atomaren oder chemischen Katastrophenfall ist der Bunker nicht geeignet, denn die Luft wird von außen eingespeist, ein Bereich zur Dekontamination fehlt vollständig.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Für eine eigene Stromversorgung wurden zwei Dieselaggregate in die Räume herabgelassen. Wer mit wachem Blick über den Schulhof wandert, dem fallen vielleicht sogar die Lüftungsluken auf, die in die Generatoren-Räume führen. Unter der in der Nähe liegenden Betonsteinfläche befindet sich eine Rampe zur Anlieferung von Patienten.

Diese hätten vom Allgemeinen Krankenhaus Viersen aus angeliefert werden können. Denn das AKH selbst war zur Bauzeit des Notkrankenhauses Teil des Notfall-Konzepts. Dass das Viersener Krankenhaus gerade einmal zwei Kilometer Luftlinie zum Bunker aufweist ist kein Zufall, denn die ursprünglichen Pläne gingen davon aus, dass Mitarbeiter des AKHs das Notkrankenhaus im Falle eines Angriffs in Betrieb genommen hätten.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Finanziert hatte die damalige Baumaßnahme der Bund und in den 1960-er Jahren waren das Notkrankenhaus tatsächlich einsatzbereit und vollständig ausgestattet. OP-Säle mit medizinischen Geräten erinnern an vergangene Zeiten, denn schließlich sollten hier Kranke und Verletzte versorgt werden. Bereits in den 1980er- sowie 1990-er Jahren wurde ein Teil der noch nutzbaren Materialien aussortiert und teilweise an humanitäre Hilfen übergeben.

Zudem schrumpfte die Bettenzahl von 800 auf 400. Zwar folgte nach dem Jahr 2000 auch die Auflösung des Notkrankenhauses am Pestalozziweg, da ist es aber dennoch immer noch. Ein Zuschütten kam sowieso nicht in Frage, schließlich befindet sich das Schulgebäude über den Betontunneln und selbst der Zugang erfolgt über eine schwere Stahltüre im Keller. Mittlerweile sind alle Eingänge zugemauert oder verschweißt, der Zugang selbst ist verboten. (nb)

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
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