Die marktwirtschaftlichen Reformen der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verfolgten unter anderem das Ziel der Deregulierung des Arbeitsmarktes, was zu einem sprunghaften Anstieg der Zeitarbeiter in Deutschland führte.
Wirtschaft – Vorher fristete die Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland ein Nischendasein und war im politischen Diskurs kaum relevant.
Die Reformen halfen dem „kranken Mann Europas“, wie Deutschland angesichts seiner verkrusteten Strukturen und der wirtschaftlichen Stagnation um die Jahrtausendwende genannt wurde, wieder auf die Beine. Das spektakuläre Ziel der Halbierung der Erwerbslosigkeit konnte das Kabinett unter Gerhard Schröder erfüllen – allerdings erst nach Jahren, sodass Schröder im Jahre 2005 von den Wählern in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde.
Der Ursprung des schlechten Rufes von Leiharbeit
Die Kehrseite der marktwirtschaftlichen Reformpolitik der Regierung Schröders war die Entwertung der Arbeit. Deutschland erhielt den höchsten Anteil von prekär Beschäftigten in Europa, einen Mindestlohn gab es noch nicht, und wer keine Ausbildung vorweisen konnte, bekam in vielen Fällen nicht mehr als ein Hartz4-Empfänger – obwohl auch im Bereich der Sozialhilfe die Zügel spürbar angezogen wurden. Die unter der überraschend neoliberal agierenden Koalition verfochtene Devise: Sozial ist, was Arbeit schafft, führte zu dem sprunghaften Anstieg der Leiharbeiter auf den heutigen Stand von rund 800.000 Zeitarbeitern in Deutschland.
Aus dieser Zeit rührt der schlechte Ruf der Leiharbeit her, als viele Rechte wie der Tarifvertrag für Zeitarbeiter noch nicht existierten. Inzwischen hat sich die Zeitarbeit zunehmend den Arbeitsbedingungen von Stammkräften angenähert, was das Arbeitsmodell wieder attraktiver macht. Dennoch gibt es nach wie vor enorme Unterschiede zwischen Leiharbeitern und fest angestellten Arbeitnehmern. Im Gegensatz zu früher sind diese Unterschiede aber nicht mehr ausschließlich negativ.

Was ist die Zeitarbeit überhaupt?
Die Arbeitnehmerüberlassung stellt ein Dreiecksverhältnis zwischen dem verleihenden Unternehmen, dem Unternehmen, das sich vom Leiharbeiterpool bedient, und dem Leiharbeiter dar. Die Verleiher benötigen für ihre Personaldienstleistung eine AÜG-Lizenz. Leiharbeiter werden formal von der Leiharbeitsfirma beschäftigt und stehen für ihre Beanspruchung auf Abruf bereit. Unternehmen nutzen die Beschäftigung von Leiharbeitern vor allem für die Überbrückung personeller Engpässe.
Die Vorteile der Leiharbeit für Arbeitnehmer
Die Rechte von Leiharbeitern wurden in den letzten Jahren kontinuierlich gestärkt. Inzwischen gelten für sie die gleichen Rechte in Bezug auf den Arbeitsschutz, Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz wie für Festangestellte und zumindest ab dem 9. Monat der gleiche Lohn (Equal Pay). Seit 2004 sind Leiharbeiter in die branchenüblichen Tarifverträge eingebunden, seit 2019 gilt der Mindestlohn auch für sie, und Leiharbeiter müssen inzwischen auch in Zeiten ohne Arbeitsplatz vom Verleiher weiter bezahlt werden.
Dennoch ist es für Arbeitgeber immer noch leichter und günstiger, einen Leiharbeiter einzustellen, sodass vor allem Niedrigqualifizierte eine größere Chance auf Anstellung haben, was damals wie heute die Erwerbslosigkeit zu vermeiden hilft. In der Energiekrise hilft dies Unternehmen dabei, die Arbeitsplätze zu erhalten, was wiederum den Zeitarbeitern zugutekommt. Schließlich können Leiharbeiter eine Vielzahl von branchenübergreifenden Erfahrungen sammeln. Die Möglichkeiten der Beziehungspflege kommen besonders Netzwerkern zugute, die ihre Kontakte für den Aufstieg in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis nutzen können.
Die Nachteile der Leiharbeit für Arbeitnehmer
Freilich behagt die ständige Umstellung nicht jedem, und es lässt sich auch von Befürwortern der Leiharbeit nicht leugnen, dass Leiharbeiter noch nicht richtig im Berufsleben angekommen sind. Die damit verbundene Ungewissheit kann am Zeitarbeiter nagen, denn Sicherheit gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen.
De facto wird die Gleichstellung der Rechte in einigen Bereichen ausgehebelt. So gilt der Kündigungsschutz erst nach überstandener sechsmonatiger Probezeit und der Urlaubsanspruch ebenfalls erst nach sechs Monaten. Viele Leiharbeiter arbeiten aber nicht länger als sechs Monate im selben Unternehmen. Das Recht auf Equal Pay ist ohnehin erst nach neun Monaten gegeben.
In der Praxis übernehmen Leiharbeiter in vielen Fällen nur einfache und anstrengende Tätigkeiten und haben erst nach einer regulären Übernahme Chancen auf betriebsinternen Aufstieg. Der Niedriglohnbereich ist bei Leiharbeitern dreimal so hoch wie bei Stammkräften. In der Tendenz haben Leiharbeiter längere Arbeitswege und das Verhältnis zwischen Leiharbeitern und Festangestellten ist oft nicht gut, besonders, wenn das Unternehmen beide Gruppen gegeneinander ausspielt. (opm)
