Greetsiel: Wo Fischertradition auf Kunst trifft

An der westlichen Küste Ostfrieslands, umgeben von der Weite des Wattenmeers, liegt das malerische Fischer- und Künstlerdorf Greetsiel, ein Ortsteil der Gemeinde Krummhörn im Landkreis Aurich. Dieses historische Dorf, geprägt von Jahrhunderte alter Seefahrtsgeschichte und reich an künstlerischen Einflüssen, zieht jährlich tausende Besucher in seinen Bann.
Von RS-Redakteurin Ebru Ataman

Reisen – Greetsiel verdankt seine Existenz und Entwicklung der Lage an der Leybucht, einer kleinen Bucht, die im Laufe der Jahrhunderte eingedeicht wurde. Bis heute ist Greetsiel der einzige Hafenort an dieser Bucht, und sein malerischer Hafen bildet das Herzstück des Dorfes. Die historische Flotte, bestehend aus traditionellen Krabbenkuttern, verleiht dem Ort eine maritime Atmosphäre, die tief mit der ostfriesischen Fischereigeschichte verwurzelt ist. Fischerboote kehren nach einer langen Nacht auf See mit frischen Krabben in den Hafen zurück – eine jahrhundertealte Tradition, die bis heute gelebt wird.

Foto: Rheinischer Spiegel/Olaf Josten

Besonders in den Sommermonaten erwacht Greetsiel zum Leben, wenn der alljährliche Kutterkorso stattfindet. Die Fischerboote laden Gäste zu einer maritimen Reise auf den Nordsee ein, begleitet von Musik und kulinarischen Leckerbissen. Ein Highlight für Einheimische und Touristen ist der berühmte Krabbenpulwettbewerb, bei dem die Teilnehmer ihre Fingerfertigkeit unter Beweis stellen.

Doch Greetsiel ist nicht nur für seine Fischertradition bekannt. Seit mehr als 40 Jahren ist das Dorf auch ein bedeutendes Zentrum für Künstler aus der Region. Alljährlich lockt die „Greetsieler Woche“ Künstler und Kunstliebhaber aus ganz Deutschland an. Maler, Bildhauer und Handwerker präsentieren ihre Werke in charmanten Galerien und im öffentlichen Raum. Besonders erwähnenswert ist der „Imke Folkerts Preis für bildende Kunst“, der alle zwei Jahre verliehen wird. Mit einem Preisgeld von 10.000 Euro gehört er zu den wichtigsten Kunstauszeichnungen der Region.

Das malerische Ortszentrum Greetsiels, geprägt von schmalen Gassen und liebevoll restaurierten Backsteinhäusern, bietet einen idealen Rahmen für die Kunstszene. Zahlreiche historische Baudenkmäler, darunter die berühmte Häuserzeile an der Sielstraße mit ihren niederländisch inspirierten Giebeln, verleihen dem Dorf einen einzigartigen Charme.

Der historische Ortskern Greetsiels entführt die Besucher auf eine Zeitreise ins 14. Jahrhundert. Die Häuptlingsfamilie Cirksena ließ hier einst eine Burg errichten, die lange Zeit den Machtanspruch der Familie in Ostfriesland symbolisierte. Heute sind die Überreste der Burg Greetsiel kaum noch sichtbar, doch das Erbe der Cirksenas ist allgegenwärtig. Die evangelisch-reformierte Kirche, ein Bauwerk aus der Gotik, zeugt von der Bedeutung des Dorfes im Mittelalter. Der markante Kirchturm und die detailverliebte Holzdecke im Inneren machen sie zu einem weiteren Besuchermagneten.

Ein weiteres historisches Highlight ist das sogenannte „Cirksena-Steinhaus“, ein Backsteinbau aus dem 16. Jahrhundert. Einst war es der Stammsitz der mächtigen Cirksena-Familie und erzählt von der bewegten Vergangenheit Greetsiels als Sitz der ostfriesischen Häuptlinge.

Foto: Rheinischer Spiegel/Olaf Josten

Für Naturfreunde ist Greetsiel der perfekte Ausgangspunkt, um die umliegende Natur zu erkunden. Unmittelbar westlich des Ortes liegt das Naturschutzgebiet Leyhörn, Teil des EU-Vogelschutzgebiets Krummhörn. Die weiten Schlickflächen, Röhrichte und Salzwiesen bieten einen idealen Lebensraum für viele bedrohte Vogelarten. Das Gebiet ist ein Eldorado für Ornithologen, die hier im Frühling und Herbst zahlreiche Zugvögel beobachten können.

Zudem grenzt Greetsiel an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, ein UNESCO-Weltnaturerbe, das für seine einzigartige Flora und Fauna bekannt ist. Wanderungen durch das Wattenmeer oder Radtouren entlang der Deiche bieten erholsame Naturerlebnisse und spektakuläre Ausblicke auf die Küste und den Nordsee.

Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten gehören die beiden Zwillingsmühlen Greetsiels. Diese prächtigen Holländerwindmühlen aus den Jahren 1706 und 1856 gelten als Wahrzeichen des Dorfes. Die roten und die grünen Mühlen erinnern an vergangene Zeiten, als der Wind noch für die Getreideverarbeitung genutzt wurde. Heute sind die Mühlen beliebte Fotomotive und Schauplatz wechselnder Ausstellungen, die die Geschichte und Kultur der Region thematisieren. (ea)

Foto: Rheinischer Spiegel/Olaf Josten