Die wirtschaftlich angespannte Lage führt zu mehr Unternehmens- und Zahlungsausfällen in der Region – das zeigt das aktuelle Risikobarometer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein und der Creditreform Düsseldorf/Neuss.
Kreis Viersen – „Auch im Kreis Viersen sind die Ausfallraten angestiegen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Für das kommende Jahr gehen wir von einer weiteren Steigerung aus.“ André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf/Neuss, ergänzt: „Zudem ist der durchschnittliche Zahlungsverzug der Unternehmen zuletzt deutlich gestiegen und mittlerweile spürbar höher als im Jahr 2019.“
Für die Wirtschaft geht nun das vierte schwierige Jahr in Folge zu Ende. Nach zunächst zweieinhalb Pandemie-Jahren und fast zwei Jahren, in denen sich die höheren Energiepreise und die Inflation bemerkbar gemacht haben, ist die Lage in vielen Betrieben 2023 angespannter als ein Jahr zuvor. „Mit Stichtag 30. Juni verzeichnen wir im Kreis Viersen eine höhere Ausfallrate als im Jahr 2022“, so Becker. “Noch ist das Niveau sehr gering, aber der Anstieg ist spürbar.” Im Kreis Viersen liegt die Ausfallrate bei 1,31 Prozent. Zum Vergleich: Der entsprechende Wert für Nordrhein-Westfalen liegt bei 1,49 und für Deutschland bei 1,34 Prozent. 2022 lag die Ausfallrate im Kreis Viersen noch bei 1,14 Prozent.
Für Steinmetz bestätigen die Zahlen seine Befürchtungen: „Vier schwierige Jahre hintereinander sind gerade für kleine Betriebe zu viel. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass die Stromsteuer für alle Branchen abgesenkt wird und nicht nur für die Industrie. Das hätte auf breiter Front entlastet“, erklärt Steinmetz. Dass die Finanzlage schwierig bleibt, zeigt auch eine aktuelle Umfrage der IHK zur Finanzlage der Unternehmen. Bei der Befragung im Herbst 2023 hat sich der Anteil der Unternehmen, die eine unauffällige Finanzlage melden, im Vergleich zum Jahr 2022 zwar etwas erhöht, bleibt aber deutlich unter dem Wert von vor zwei Jahren. Dieser Anteil liegt nun bei 62 Prozent (nach zuvor 58 Prozent). 2021 lag der Wert noch bei über 70 Prozent.
Chris Proios von der Initiative Konjunkturforschung Regional weist auf die Unterschiede in den Branchen hin. „In der Region und auch im Kreis Viersen hat das Verkehrsgewerbe weiterhin die höchste Ausfallquote. Die Unternehmen sind von den nach wie vor hohen Kraftstoffpreisen und einem starken Fahrermangel betroffen. Zudem hat die Branche per se mit geringen Gewinnmargen zu kämpfen, sodass auch die Rücklagen meist nicht besonders hoch sind.“ Darüber hinaus weist insbesondere das Gastgewerbe im Kreis Viersen eine deutlich höhere Ausfallrate als die Gesamtwirtschaft aus. Die Ausfallrate in der Industrie ist zwar weiterhin auf einem niedrigen Niveau, allerdings im Jahresverlauf angestiegen. „Bei Industrieunternehmen – gerade der Großindustrie – ist die Gefahr einer kompletten Insolvenz häufig geringer“, relativiert Steinmetz diese Daten. „Die entscheidende Frage ist eher, an welchen Standorten schwerpunktmäßig investiert wird. Bei der energieintensiven Industrie sind das zurzeit nicht die deutschen Standorte.“
Der Anteil der ausgefallenen Unternehmen am Mittleren Niederrhein ist insbesondere in den beiden Größenklassen der Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 500.000 Euro und mit 500.000 bis 1 Million Euro Umsatz mit jeweils 1,6 Prozent im Vergleich zum Bund überdurchschnittlich hoch. Der Bundesschnitt liegt jeweils bei 1,4 Prozent. Bei den weiteren Größenklassen sinken die Ausfallraten mit zunehmender Unternehmensgröße. Die Abstände bei der Ausfallrate zwischen dem Mittleren Niederrhein und Deutschland werden bei jeder Umsatzklasse etwas kleiner. Bei den Großunternehmen (Umsatz > 5 Millionen Euro) sind die Werte am Mittleren Niederrhein ähnlich hoch wie in Deutschland.
Ähnlich kritisch wie der Blick auf die gestiegenen Ausfallraten fällt der Blick auf das Zahlungsverhalten aus. „Die Dauer des Zahlungsverzugs ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen – das gilt insbesondere für das vergangene Jahr“, so Proios. Im Kreis Viersen lag der durchschnittliche Zahlungsverzug zuletzt bei 18 Tagen, damit 25 Prozent über dem Wert von 2019.
Nach derzeitigem Stand der Daten von Creditreform dürfte sich die Entwicklung der Ausfallraten im Kreis Viersen im kommenden Jahr verschlechtern: „Die Creditreform-Prognosedaten zeigen, dass wir von einem weiteren Anstieg der Ausfälle ausgehen müssen“, erklärt Becker. „Für den Kreis Viersen gehen die Rechenmodelle zurzeit von einer Ausfallrate von 1,76 aus.“ Das wäre dann ein spürbarer Anstieg. „Unser aktueller Konjunkturbericht hat gezeigt, dass die Betriebe weiterhin pessimistisch sind – neben geopolitischen Krisen sehen die Unternehmen im langfristigen Energieangebot und in der überbordenden Bürokratie kurzfristig Geschäftsrisiken. Bei diesen strukturellen Problemen muss die Bundesregierung ansetzen, will sie eine weitere Erhöhung der Ausfallraten verhindern“, fordert Steinmetz. (opm)