Ich habe den Eindruck, dir tut Entspannung gut. Seit Anfang Mai ist der beheizte Außenbereich für Besucher geöffnet. Die Temperaturen liegen bei zwanzig Grad. Dennoch vermute ich, dass es bei euch in Rom und in deiner argentinischen Heimat einige Grade wärmer ist.
Von Peter Josef Dickers
Literarisches – Gelegentlich sollst du verschnupft sein, wird berichtet. Die Medien wissen viel. Deine Knochen bereiten dir zusätzlich Probleme, heißt es. Wenn es stimmt, was sie schreiben, solltest du etwas dagegen unternehmen, vor allem, wenn du wirklich nach Moskau und Kiew reisen willst, um zu retten, was eventuell zu retten ist. Im Schlossbad Niederrhein kannst du dich sorglos erholen. Das Bad entspricht höchsten hygienischen Standards. Ich weiß nicht, ob du dir das vorstellen kannst: Hunderttausend Bade-Willige kosten das Schlossbad-Vergnügen jährlich aus. Von weither reisen sie an.
Komm ins Schlossbad Niederrhein, Heiliger Vater. Der Wildwasserkanal ist in deinem Alter vermutlich nicht so günstig für dich. Schade auch, dass du nicht mit Frau und Kind kommen kannst. Für Kinder ist die Wasser-Rutsche ein pures Vergnügen. Kinder unter sechs Jahren haben freien Eintritt. Es gäbe zusätzlich eine preisgünstige Familienkarte für euch. Die kannst du leider nicht in Anspruch nehmen. Was nicht ist, kann ja noch werden. Wie ich dich kenne, ist mit dir in der Kirche noch lange nicht aller Tage Abend.
Komm ins Schlossbad Niederrhein. Wenn du willst, hole ich dich am Flughafen oder am Bahnhof ab. Mit Päpsten kenne ich mich ein bisschen aus. Deinen Vorgänger, der ein Papa-Emeritus-Einsiedler-Leben verbringt, abgeschirmt hinter vatikanischen Mauern, habe ich persönlich erlebt. Als er noch Professor in Bonn war, hörte ich seinen Vorlesungen zu. Manchmal habe ich mit ihm eine Tasse Kaffee getrunken. Damals war er noch nicht mit Kirchen-Mänteln zugeknöpft.
Bring ihn mit. Auf der großen Liegewiese können zwei Heilige Väter sonnenbaden und sich über Gott und die Welt unterhalten. Da du trotz deiner gut achtzig Jahre geistig fit geblieben bist, kannst du dem Benedikt in entspannter Schlossbad-Atmosphäre von dem erzählen, was in der Welt momentan vor sich geht, und ihn in die Gegenwart holen. Dem Benedikt würde es guttun, ihm eine Brücke zu bauen aus dem vatikanischen Verließ in die Welt draußen. Hinter den Mauern ist er ein fremdes Geschöpf geworden, eine unbekannte, altertümliche Persönlichkeit. Das hat er nicht verdient.
Das Schlossbad Niederrhein hat geöffnet. Macht euch auf den Weg. Nicht nur deinen Knochen würde es gut tun. (opm)

Aktualisierter Text aus: P. J. Dickers, Nicht unfehlbar. Geschichten in aufgeregten Zeiten

Peter Josef Dickers wurde 1938 in Büttgen geboren. Nach einem Studium der Katholischen Theologie sowie der Philosophie und Pädagogik in Bonn, Fribourg/Schweiz, Köln sowie Düsseldorf erhielt er 1965 die Priesterweihe. Anschließend war er in der Seelsorge und im Schuldienst tätig, bis er sich 1977 in den Laienstand rückversetzen ließ und heiratete. Nach der Laisierung war er hauptamtlich tätig an den Beruflichen Schulen in Kempen (jetzt Rhein-Maas-Kolleg) mit den Fächern Kath. Religionslehre, Pädagogik, Soziallehre, Jugendhilfe/Jugendrecht.
„Seit der Pensionierung bin ich weiterhin engagiert durch meine Schreibtätigkeit, mein Vorlese-Engagement in diversen Einrichtungen und sonstige Initiativen. In den Sommermonaten lese ich zeitweise als „Lektor“ auf Flusskreuzfahrt-Schiffen aus meinen bisher erschienenen Büchern“, so Peter Josef Dickers, der mittlerweile in Mönchengladbach beheimatet ist.
