Ich erinnere mich noch gut an den Vatertag im Mai 1944. Ich war noch jung und Viersen war längst nicht mehr die unbeschwerte Stadt meiner frühen Kindheit. Die Sirenen heulten fast jede Nacht, und das Dröhnen der Bomber war zur bedrückenden Normalität geworden.
Von Magdalene Walther
Literarisches – Mein Vater war seit zwei Jahren an der Ostfront. Briefe kamen nur noch unregelmäßig, und jedes Mal, wenn ein Postbote an der Tür vorbeiging, stockte uns allen der Atem. Trotzdem wollte meine Mutter, dass wir den Vatertag nicht einfach verstreichen lassen. „Für deinen Vater“, sagte sie, „damit er nicht vergisst, dass er gebraucht wird – und geliebt.“
Also bastelte ich eine kleine Karte. Ich erinnere mich, wie ich ein paar verblasste Buntstifte nahm und ein Bild malte: Vater, Mutter und ich, Hand in Hand im Bunten Garten. Ich schrieb darunter: „Lieber Papa, ich vermisse dich. Bitte komm bald heim. Deine Tochter, Magda.“ Meine Mutter steckte die Karte in einen Umschlag, mit zittriger Schrift schrieb sie die Feldpostnummer darauf. Ich weiß nicht, ob er sie je bekommen hat.
An diesem Vatertag gingen wir zu Fuß zum Hohen Busch. Keine Ausflügler, keine Bollerwagen, keine Lieder – nur die Stille des Waldes und wir beide. Meine Mutter trug ein Kopftuch und sah älter aus als sonst. Ich glaube, in dem Moment wünschte ich mir nichts mehr, als einfach wieder mit meinem Vater an einem Tisch zu sitzen, ganz normal, wie früher.
Jahre später, als der Krieg vorbei war und mein Vater nicht zurückkehrte, habe ich oft an diesen Tag gedacht. An die Stille, an die Hoffnung, an die Liebe, die trotz allem da war. Der Vatertag hat für mich seither eine andere Bedeutung – nicht laut, nicht fröhlich, aber tief.
Der Vatertag – traditionell ein Tag der Freude, des Zusammenseins und des Dankes – erhielt während des Zweiten Weltkriegs auch in der Stadt Viersen eine tiefere, nachdenklichere Bedeutung. Inmitten von Luftalarmen, Lebensmittelrationierung und der täglichen Angst um Angehörige, die an der Front kämpften, war der Vatertag für viele Familien in Viersen eine stille Erinnerung an das, was verloren gegangen war – und ein leiser Hoffnungsschimmer auf Rückkehr und Frieden.
Während der Kriegsjahre war es für viele Kinder ein trauriger Tag, da ihre Väter fernab in Uniform kämpften oder bereits gefallen waren. Die üblichen Ausflüge und geselligen Treffen mussten ausfallen oder wurden in kleinem, unauffälligem Rahmen begangen – sofern überhaupt möglich. Dennoch versuchten viele Familien, diesen Tag zu ehren – durch das Schreiben von Briefen, durch stille Gebete oder durch das einfache Erinnern an gemeinsame Zeiten in friedlicheren Jahren.
Auch in Viersen war dieser Tag von innerer Stärke geprägt. Inmitten von Ruinen und Entbehrung zeugte jede kleine Geste des Erinnerns an den Vatertag von Menschlichkeit, Zusammenhalt und der Hoffnung, dass die Väter – ob abwesend, gefallen oder in Gefangenschaft – nicht vergessen waren.
Heute, Jahrzehnte später, erinnert uns der Vatertag nicht nur an die Rolle der Väter in unseren Familien, sondern auch an die Generationen vor uns, die diesen Tag unter den schwersten Bedingungen zu begehen versuchten – in Liebe, in Schmerz und mit einem Blick auf eine friedlichere Zukunft. (mw)
