„PRIMUS ist Zukunft“ nennt sich die Initiative, die von Eltern der Dülkener Primus-Schule ins Leben gerufen wurde. Nachdem der Rat der Stadt Viersen der Verlängerung der Primus-Schule eine Absage erteilt hatte, hatten sich Eltern zusammengetan und im August 2022 einen Antrag auf ein Bürgerbegehren gestellt. Nun kann das Bürgerbegehren starten, nachdem der Stadtrat am Dienstagabend die rechtliche Zulässigkeit der Vorprüfung bestätigt hat.
Viersen-Dülken – Rede der Bürgerinitiative „PRIMUS ist Zukunft“ durch Mitinitiator Stefan Winz vor dem Viersener Stadtrat am 07.02.2023. Es gilt das gesprochene Wort.
„PRIMUS ist Zukunft! So heißt nicht nur unsere Bürgerinitiative. Die PRIMUS Schule ist die Schule der Zukunft.
• Eine Schule von der 1 bis zur 10 Klasse ohne den prekären Wechsel nach der 4 Klasse
• Lernen ohne Notendruck
• Selbstständiges und selbstverantwortliches handlungsorientiertes Lernen
• Bildungsgerechtigkeit
• Chancengleichheit
Um nur einige Schlagworte zu nennen.
‚Gut ausgebildete Menschen sind der Grundstein unseres Wohlstandes.‘ Ich zitiere hier einmal unsere Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP. ‚Wir können die Fachkräfte von morgen nicht in Lernorte von gestern schicken.‘
Schon seit den ersten Pisa-Erhebungen wurde Deutschland für die (Zer-)Gliederung des Schulsystems getadelt. Deutschland steht international allein auf weiter Flur.
„95% aller Schulsysteme weltweit bieten sechs Jahre gemeinsame Beschulung in der Grundschule, drei Jahre in der Sekundarstufe I und dann erst die Trennung. Einige dieser Systeme kennen kein Sitzenbleiben und Verzichten bis zur achten Klasse sogar auf eine Benotung. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – erreichen sie, wie nicht nur skandinavische Länder zeigen, Spitzenergebnisse.“
Sir Ken Robinson, ein britischer Bildungsforscher, bescheinigt unserem Bildungssystem, dass es ausgedient habe, denn es war für eine andere Gesellschaft entwickelt worden, nämlich für das Zeitalter der industriellen Revolution und der Aufklärung, das auf Konformität, Gleichklang und Standardisierung setzte, um am Fließband Produkte herzustellen, die die Wirtschaft vorantreiben. Unsere Gesellschaft ist mittlerweile eine andere, Sie entwickelt sich rasant und komplex weiter. Globalisierung, Armut, Migration und Klimawandel sind große Merkmale der heutigen Zeit. Daraus resultiert Vielfalt statt Konformität, Komplexität sowie Vielschichtigkeit statt Linearität und Einheitlichkeit.
Das Bildungssystem daran anzupassen, unsere Kinder auf diese Welt vorzubereiten, ihnen die Fähigkeit zu geben, darin zurecht zu kommen und ihren Platz in der Welt zu finden, um sich wohl und sicher zu fühlen,- stellt uns alle vor eine immense Herausforderung.
Dabei ist es mittlerweile nicht mehr ganz so wichtig, Meiose und Mitose voneinander zu unterscheiden oder die Molzahl der chemischen Elemente zu kennen. Es bedarf viel mehr Fähigkeiten statt Wissen.
Richard David Precht fordert daher statt einer Bildungsreform eine Bildungsrevolution.
Deshalb fordern wir, den PRIMUS Schulversuch um 3 Jahre zu verlängern, wie es durch die Schulgesetzänderung des Landtags im Feb. 2022 möglich geworden ist.
Ein Schulversuch braucht Zeit. Wir sind im vorletzten Jahr der Aufbauphase und Kritiker wollen schon über das Ergebnis Bescheid wissen.
Die anderen 4 Primus Schulen sind zu Beginn mit Klasse 1 und 5 parallel gestartet, somit sind sie uns etwas voraus und können bereits sehr positive Ergebnisse liefern. Wenn Sie sich die wissenschaftliche Begleitstudie ansehen, wird dies klar. Diese Ergebnisse machen Hoffnung auf eine längst überfällige Veränderung für unser kränkelndes Schulsystem, in dem Lehrkräfte und Schüler:innen in nicht funktionsfähigen Rahmenbedingungen nach dem Prinzip Friss oder stirb verheizt werden.
Bieregio hat im ersten SEP der Stadt Titz auch empfohlen, die PRIMUS Schule zu schließen und zum Glück hat in Titz keiner darauf gehört.
Die PRIMUS Schule ist ein Erfolgsmodell. Das Institut für pädagogische Bildung hat auf eklatante Fehler im SEP der Stadt Viersen explizit hingewiesen. In der Stadt Viersen hat man sich geweigert, einen zweiten SEP zu beauftragen, das Land NRW bietet diesen kostenlos an.
Warum kamen im Schulausschuss die Wissenschaftler, die diesen Schulversuch begleiten, nicht zu Wort, wie in den anderen 4 Kommunen?
Im Schulausschuss wurde auch nicht weiter auf die fehlenden Plätze im integrierten Schulsystem eingegangen. Die Gesamtschule muss jedes Jahr Kinder ablehnen. Wenn in 5 Jahren die PRIMUS Schule keine Kinder mehr im integrierten System aufnehmen kann, wo sollen diese Kinder hin?
Auch die PRIMUS Schule Viersen musste in den ersten 3 Jahren Kinder ablehnen, da die Nachfrage nach einer alternativen Schule hoch war.
Erst als 2018 Probleme bei Raum-, Standort- und Personalfragen aufkamen sanken die Anmeldezahlen.
Die wissenschaftliche Begleitstudie wies bereits im Juli 2018 auf das Problem der bis heute noch immer ungeklärten Standortfrage hin und dass es dadurch zu Problem bei der Akzeptanz und bei der Haltekraft komme.
Die Haltekraft als ein wichtiges Kriterium für den Schulversuch in Viersen, hätte eine zügige und engagierte Lösung der Standort- und Raumfrage gebraucht. Leider wurden Eltern und Schüler:innen hier massiv enttäuscht.
Als es dann auch an Lehrpersonal mangelte wandten sich Eltern ab und den Gebliebenen blieb nur mit den Versäumnissen der Verantwortlichen in die Öffentlichkeit zu gehen.
Die Stadt wirbt nicht mit diesem einzigartigen Schulversuch sie unterschlägt ihn lieber in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit.
Durch die Stellungnahme des Juristen, der unseren Antrag auf Vorprüfung des Bürgerbegehrens begutachtet hat, wurde uns verdeutlicht, dass unvollständig das gleiche ist wie falsch.
Dass die PRIMUS Schule auf der Homepage unsere Stadt nicht als Grundschule aufgeführt wird, ist somit aufgrund von Unvollständigkeit falsch. Wir bitten dies schnellstmöglich zu überarbeiten, um diese wichtige Information niemandem vorzuenthalten!
Wir möchten auf einen weiteren misslichen Fund auf der Homepage der Stadt hinweisen:
Zu lesen ist:
Mit dem Übergang in Klasse 7 werden die Schülerinnen und Schüler das Schulgebäude wechseln. Die Jahrgänge 7 – 10 werden im Gebäude der ehemaligen Overbergschule, Brabanter Str. in Viersen-Dülken weiterlernen. Bis zum Einzug werden dort noch weitere naturwissenschaftliche Räume und eine Mensa errichtet.
Auch wenn die Standortfrage bis heute nicht geklärt ist, hat sich doch vieles zum Besseren verändert und die PRIMUS Schule Viersen ist zu dem geworden, was sie sein soll, ein Ort des gemeinsamen Lernens, mit engagierten Lehrkräften, Schülern und Eltern. Sie ist eine Bereicherung für Viersen, Dülken, die Viersener Familien, das integrierte Schulsystem, und die Wissenschaft weit über Viersen hinaus.
Das Grundschulproblem in Dülken entsteht, weil Eltern über die Zukunft der PRIMUS Schule verunsichert sind. Der Beschluss die Laufzeit der PRIMUS Schule nicht zu verlängern hat deutlich dazu beigetragen.
Und trotz der prekären Situation haben sich 39 Erstklässler angemeldet.
Das Schulgebäude ist voll, sodass sogar neue mobile Klassenräume benötigt werden.
Das Grundschulproblem in Dülken wird nicht gelöst, indem man die PRIMUS Schule nicht verlängert.
Die Stadt hat jetzt selbst erkannt, dass es nicht einfach ist, eine neue Grundschule gründen. Eine neue Grundschule wird um Anmeldungen kämpfen müssen.
Deshalb schlägt die Verwaltung jetzt eine Dependance Lösung vor, die die Eltern und Schüler:innen nicht glücklich machen wird.
Die Kinder kommen nicht an ihren Wunschstandort. Ganz zu schweigen davon, dass man Lehrer braucht, um die Kinder dann dort zu unterrichten. Es wird aber nicht mehr Lehrpersonal geben, sondern die bestehenden Lehere:innen müssen dann mehr Arbeiten oder Unterricht wird ausfallen.
Es fehlen in Deutschland 40 bis 50 Tausend Lehrer:innen, 4.000 in NRW und 3.500 davon im Grundschulbereich.
Für eine neue Schule oder zusätzliche Züge ist es fast unmöglich, Grundschullehrer:innen zu bekommen.
Das Thema kennen wir an der PRIMUS Schule. Die PRIMUS Schule hat jetzt genügend Lehrer:innen, aber es hat lange gedauert.
Ein Schulversuch braucht Zeit. Wir kämpfen für Bildungsgerechtigkeit und die Schule der Zukunft.“ (opm)
Rat bestätigt Zulässigkeit – Bürgerbegehren soll Primus-Schule erhalten