Gott spricht: „Ich werde mich erweisen“ aus Exodus 3,14″ stand als Leitsatz über der Einladung am vergangenen Freitag in der Christuskirche in St. Tönis. Ein Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrerin Christine Herling in ihrer Heimatgemeinde. Durch Superintendentin Dr. Barbara Schwahn wurde sie von ihrem Amt entpflichtet. Am 1. November beginnt ihr Ruhestand.
St. Tönis – Gut 28 Jahre war die heute 65-Jährige beim Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen als Schulreferentin tätig. Eine Arbeit an der Nahtstelle von Kirche und Schule. „Das Unterrichtsfach Religion hat gegenüber anderen Schulfächern anderen Spielraum, mit Bedürfnissen der Jugendlichen umzugehen. Diese Möglichkeit sollte nicht ungenutzt bleiben.“ Eine Aussage, die Christine Herling zu Beginn ihrer Tätigkeit im Kirchenkreis im April 1996 machte. Daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, der Bedarf ist noch gestiegen.
„Das Fach kann Orientierung geben, Religion überhaupt erst kennenzulernen in einem immer stärker säkularisierten Land“, betont Herling. Das Fach kann zur Identitätsfindung beitragen und zur Verständigung untereinander, zwischen den unterschiedlichen Religionen. „Hier öffnen sich Räume für die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit religiösen Fragen, mit ethischen und mit Lebensfragen,“ so Herling. „Fragen können diskutiert werden, wie ´Was macht uns Menschen aus´ – ´Was hat die jüdisch-christliche Tradition damit zu tun, was hat sie anzubieten´ – ´Was dient dem Leben, dem persönlichen, dem Zusammenleben, in der Schule, der Gesellschaft, der gesamten Schöpfung eigentlich´.“ Mit noch so viel mehr könnte Pfarrerin Herling das Unterrichtsfach Religion mit Leben füllen. Ein Fach, in dem nicht nur „Stoff vermittelt wird“.
Doppelt qualifiziert war Herling in ihrer Arbeit als Ansprechpartnerin in religionspädagogischen Fragen der Religionslehrenden der allgemeinbildenden Schulen im Kirchenkreis. Nach ihrem Abitur in Bad Berleburg studierte sie an der Gesamthochschule in Wuppertal Musik und evangelische Religion auf Lehramt. Zudem studierte sie Theologie in Bonn und Bochum. Nach ihrem Referendariat, dem theologischen Examen und ihrem Vikariat, arbeitete sie ab 1991 am Predigerseminar in Wuppertal, vorrangig in der Ausbildung der Vikarinnen und Vikare.
Im Detail zu beschreiben, was Christine Herling in den drei Jahrzehnten gemacht hat und wo sie sich überall engagiert hat, würde Bände füllen. Fortbildungen für Lehrende, Beratungen, Seelsorge (auch zehn Jahre Notfallseelsorge), Projekte, Netzwerken mit Schulen, Ämtern, Bezirksregierung und Lehrkräften. Konzeptentwicklungen, konfessionelle und religionsübergreifende Kooperationen, Lehrplaneinführungen, Digitalisierung der Mediotheksarbeit. Überregional, besonders mit dem Schulreferat des Kirchenkreises Gladbach-Neuss und auf landeskirchlicher Ebene war Herling tätig.
Hin und wieder hat Herling auch selber unterrichtet, in der Grundschule beispielsweise „haben wir eine Reihe zu Moses gestaltet, zu den Israeliten in der Wüste, haben sogar eine Bundeslade gebastelt“. Die Exodusgeschichte mag Herling besonders in der Bibel, im Alten Testament – daher auch der Leitsatz in der Einladung zur Verabschiedung – , aber auch die Erzählungen aus dem Leben Jesu im Neuen Testament. Unterrichtsarbeit war ebenso in den Neigungs- und Zertifikatskursen, kurz „Z-Kursen“, gefragt. Das habe ihr sehr viel Freude gemacht. „Über ein Jahr mit einer Gruppe zu arbeiten, bietet mehr Lernchancen (ist etwas Kontinuierlicheres) als sonst in den Tages- und Nachmittagsformaten der Fortbildungen unserer jährlichen Programme möglich ist“, erinnert sich Herling. Mit einem Z-Kurs erwerben fachfremd Lehrende die Voraussetzung für die Erteilung einer kirchlichen Unterrichtserlaubnis (Vokation) und damit die Berechtigung, Religionsunterricht zu erteilen.
Ein Herzensanliegen war Christine Herling auch das christlich-jüdische Gespräch. Sie war seit 2001 hierfür Beauftragte des Kirchenkreises. Bereits mit 17 hat sie in einem Kibbuz in Israel gearbeitet. Vor ein paar Jahren noch ein Kontaktstudium in Jerusalem absolviert. „Die Zeit im Kibbuz war bereits unvergesslich für mich“, berichtet Herling. „Die israelische Musik hat mir ein Lebensgefühl vermittelt. Land und Leute faszinieren mich, diese unglaubliche Lebendigkeit. Die Bibel, die mit Israel verknüpft ist.“ So war ihr Engagement für das christlich-jüdische Gespräch eine selbstverständliche Folge. Sie hat Studienfahrten nach Israel für Lehrende organisiert und in das jüdische Leben in Antwerpen, Vorträge von Rabbinern, eine Fahrt nach Auschwitz, Lehrveranstaltungen. Manches in Kooperation, beispielsweise mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Krefeld oder der Villa Merländer. Wichtig war Christine Herling dabei auch, mit Antisemitismus und Diversität Themen anzusprechen, die über den Religionsunterricht hinausgehen.
Dankbar ist Pfarrerin Christine Herling für „unendlich viel Zusammenarbeit“ in den drei Jahrzehnten mit Kolleg*innen aus den ganz unterschiedlichen Bereichen, übergreifend über alle Ebenen. Langweilig – das wird es der Pfarrerin „in Ruhestand“ wie ab November ihr offizieller Titel lautet, sicherlich nicht. „Ich bin vielseitig interessiert“, betont Herling. Musik, Meditation, Veranstaltungen, Garten, Nabu und Klima – das sind nur einige Stichworte, die ihr beim Gedanken an den „Ruhe“stand einfallen. (opm)