Viersen im Wandel: Die Kreuzkirche – Zeugnis evangelischer Christen in der Mispelstadt

Seit der Einweihung 1879 ist die neugotische Kreuzkirche an der Hauptstraße fester Bestandteil der Silhouette in Alt-Viersen. Wenn ihre drei Glocken erklingen, erinnern sie an eine bewegte Vergangenheit.
Von RS-Redakteurin Ebru Ataman

Viersen – Seinen Glauben offen ausleben zu können war am Niederrhein nicht immer möglich. So durften die evangelischen Christen keine öffentlichen Gottesdienste abhalten, wurden für ihren Glauben sogar bestraft, als Viersen noch unter der Herrschaft der spanischen Niederlande stand. Dennoch, erste Zeugnisse einer evangelischen Gemeinde reichen bis 1580 zurück, erst 1629, nach der Vertreibung der Spanier, konnten Gottesdienste frei praktiziert werden. Ein Beschluss der niederländischen Generalstaaten, zu denen Viersen weiterhin gehörte, machte die Anstellung des ersten evangelischen Pfarrers, Rudolf G. Fabricius möglich. Dieser hielt am 26. April 1705 seine erste Predigt unter freiem Himmel. Mit der ebenfalls stattfindenden Presbyteriumssitzung gilt dieser Tag als Gründung der Evangelischen Kirchengemeinde Viersen.

Seinen Glauben offen ausleben zu können war am Niederrhein nicht immer möglich. So durften die evangelischen Christen keine öffentlichen Gottesdienste abhalten, wurden für ihren Glauben sogar bestraft, als Viersen noch unter der Herrschaft der spanischen Niederlande stand. Ev. Kirche um 1900 – Foto: Privat

Bis zum Bau der Kreuzkirche sollte jedoch noch viel Wasser die Niers herunterfließen. Zunächst wurde Viersen 1713 nämlich preußisch und Friedrich Wilhelm I. stiftete vierzig Eichbäume, mit denen ein Predigt-Haus auf dem damaligen Schwanen- und heutigen Gelände an der Hauptstraße aus dem ehemaligen Bauernhaus erbaut werden konnte. 1780 begann die Gemeinde trotz des Widerstands zahlreicher Katholiken mit dem Bau eines Turms mit Glocken und Uhr. Auch heute noch ziert das Zifferblatt von 1793 den Glockenturm.

Erst 1869 macht eine Schenkung von Friedrich Freiherr von Diergardt den Bau einer neuen Kirche möglich, in der mehr als 500 Gläubige Platz finden. Als Architekt nahm sich die Gemeinde dem bekannten Krefelder Architekten August Hartel zur Seite, der für damalige Verhältnisse in Rekordzeit von 1877 bis 1879 die Bauarbeiten möglich machte. Bereits am 27. Mai 1879 konnte die heutige Kirche im neugotischen Stil geweiht werden, an die sich exakt 100 Jahre später der Anbau mit dem Gemeinderaum anschloss.

Bis zum Bau der Kreuzkirche sollte jedoch noch viel Wasser die Niers herunterfließen. Foto: Privat

Der viergliedrige Turm ziert den Himmel über den Dächern der Stadt. Verkleidet mit Rotsand- und Backstein, ergänzen Wasserspeier und ein Dachfirst mit einem musizierenden Engel als Windfahne die neogotische Bauweise.

Das seit dem Jahr 2000 in der Denkmalliste NRW aufgenommene Gebäude trägt seinen Namen von dem aufgehängten Kreuz von Horst Lerche im Altarraum. Gefertigt aus Holz, welches zu dem älteren Kirchendachstuhl gehörte, wurde das Bauwerk 1994 auf den heutigen Namen „Kreuzkirche“ getauft.

Sehenswert ist zudem der alte evangelische Friedhof auf der Rückseite der Kirche. Von 1825 bis 1893 in Betrieb, wurde 2010 unter Vorsitz des Freiherrn Leopold von Diergardt ein Förderverein gegründet, der eine Restaurierung möglich machte. Seit der feierlichen Neuöffnung im Jahre 2018 ist die Parkanlage wieder frei zugänglich. (ea)

Erst 1869 macht eine Schenkung von Friedrich Freiherr von Diergardt den Bau einer neuen Kirche möglich, in der mehr als 500 Gläubige Platz finden. Foto: Privat

Flanieren durch den Evangelischen Friedhof in der Viersener Südstadt