Zwischen Stadthaus und Parkgalerie verläuft heute ein belebter Weg – und doch ist der Ort nun ein stiller Hinweis auf ein schweres Kapitel der Vergangenheit. Am Dienstag dieser Woche wurde in Viersen eine Gedenkschwelle eingeweiht – ein stiller, aber eindringlicher Ort der Erinnerung. Er erinnert an mehr als 6.500 Männer, Frauen und Kinder, die während des Zweiten Weltkriegs nach Viersen verschleppt wurden, um hier Zwangsarbeit zu leisten.
Von RS-Redakteurin Sabrina Köhler und Martin Häming
Viersen – Die massive Bronzeplatte liegt unscheinbar am Wegesrand nahe der bekannten Skulptur „Starke Frau“ von Georg Ettl. Doch ihre Wirkung ist nicht zu übersehen. In klaren, nüchternen Worten wird hier auf ein Verbrechen hingewiesen, das jahrzehntelang kaum öffentlich thematisiert wurde: Zwangsarbeit im Dienst von Staat, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft – mitten in Viersen, zwischen 1940 und 1945. Viele der Verschleppten überlebten die Zeit unter unmenschlichen Bedingungen nicht. Wie viele es genau waren, bleibt ungewiss.
Die Idee zur Gedenkschwelle entstand nicht in einem politischen Gremium, sondern aus der Zivilgesellschaft heraus. Drei Viersenerinnen und Viersener – Jürgen Heimes von der Initiative „Niewieder“, Beatrix Wolters vom Verein für Heimatpflege sowie Manfred Budel vom Verein zur Förderung der Erinnerungskultur – reichten gemeinsam einen Antrag ein. Ihre Initiative trug Früchte.

Die Schwelle wurde nach Vorgaben des Künstlers Gunter Demnig gestaltet. Er ist bundesweit durch das Projekt „Stolpersteine“ bekannt, das an die Opfer der NS-Diktatur erinnert. Auch in Viersen verlegte Demnig bereits zahlreiche dieser Steine vor früheren Wohnorten von Verfolgten. Die neue Gedenkschwelle erweitert diesen lokalen Erinnerungsraum – nicht mehr individuell, sondern kollektiv.
Der neue Erinnerungsort ist bewusst gewählt: zentral, sichtbar, zugänglich. Die Schwelle zwingt nicht zum Innehalten, aber sie lädt dazu ein. Wer sie liest, begegnet einem Teil der Geschichte, der zu lange ausgeblendet wurde. Es ist ein Schritt hin zur Rückgabe dessen, was den Opfern geraubt wurde: ihre Würde. Dass dieser Schritt nun öffentlich sichtbar ist, ist das Verdienst einer engagierten Bürgerschaft. Ihre Botschaft: Erinnerung ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern eine dauerhafte Verantwortung. (sk)
