Sie sind bereits seit Jahren ein stetig wachsendes Problem, die tierischen Hinterlassenschaften auf den Viersener Friedhöfen. Helmut W. hat alleine in der vergangenen Woche rund um das Grab seiner Frau sechs verschlossene Hundekotbeutel und weitere Hundehaufen entfernt. „Es reicht“, sagt der 81-Jährige.
Von RS-Redakteurin und Langzeit-Frauchen Claudia-Isabell Schmitz
Viersen/Kommentar – Der Baum am Rande des Urnengartens auf dem Viersener Hauptfriedhof ist Ort zahlreicher Wünsche und Erinnerungen an Verstorbene. Während in seiner Krone liebevoll bemalte Botschaften im Wind wehen, sieht es auf dem Boden anders aus. Zwei Hundekotbeutel liegen achtlos hinterlassen in dem Beet, es sind nicht die einzigen, die ins Auge fallen, wenn man über den Friedhof spaziert. Die Hundehaufen selbst auf Gräbern führen bereits seit Jahren vermehrt zu Unmut, getan hat sich nichts, auch wenn die städtischen Mitarbeiter regelmäßig entfernen, was dort nichts zu suchen hat.
Helmut W. hat vor einigen Jahren seine Frau verloren und besucht sie mehrmals die Woche, um ihr zu erzählen, was denn gerade in der Welt alles vor sich geht. Besonders während der Corona-Pandemie ist der 81-Jährige froh einen Platz zu haben, wo er sich seiner Frau nahe fühlt. Dass er allerdings immer mehr volle Kotbeutel entsorgen muss, kann der Senior nicht verstehen.
Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland rund 500 Millionen Hundekotbeutel im Jahr verbraucht werden, die meisten von ihnen sind nicht biologisch abbaubar. Damit immer eine Tüte zur Hand ist, hat die Stadt Viersen in den vergangenen Jahren rund 40 Tütenspender aufgebaut. Verbraucht werden mehr als 14.000 Beutel pro Woche oder 720.000 im Jahr – alleine im Viersener Stadtgebiet. Diese riesigen Mengen an Plastik allerdings landen nicht immer im Müll, rund 20 Prozent der Kotbeutel werden achtlos in die nächste Hecke geschmissen. Zwar kann dies mit einem Verwarnungs- oder Bußgeld geahndet werden, dazu allerdings muss der Verursacher „auf frischer Tat erwischt“ werden, denn nicht das Abkoten des Hundes stellt die Ordnungswidrigkeit dar, sondern da Zurücklassen des Hundekots.
Das Ordnungsamt der Stadt Viersen ahndet nicht entfernten Hundekot im öffentlichen Raum mit folgenden Regelsätzen:
auf Gehwegen 25,00 Euro
auf Grün- oder Radstreifen 30,00 Euro
in Fußgängerzonen 35,00 Euro
auf frei zugänglichen Grünflächen 45,00 Euro
auf Spielplätzen 60,00 Euro.
Direkt um den doppelten Satz erhöht sich diese Strafe für alle die beim Wegwerfen einer gefüllten Hundekottüte erwischt werden. Die genannten Beträge sind Regelsätze, von denen nach den Umständen des Einzelfalles abgewichen werden kann. Sie gelten für Ersttäter. Wer wiederholt Hundekot nicht oder nicht ordnungsgemäß entfernt, muss mit einer Steigerung des Bußgeldes rechnen.
Helmut W. hatte deshalb erst vor einiger Zeit eine Dame angesprochen, die die verpackte Hinterlassenschaft mitten auf dem Weg „vergessen“ hatte. Aber dafür sei doch die städtische Reinigung zuständig und übrigens zahle sie Hundesteuer. Eine Einstellung, die für Natur- und Tierwelt enorme Gefahren darstellt. Zwar ist der Hundekot verpackt, der aufgrund möglicher Keime eigentlich in die Restmülltonne wandern und dann verbrannt werden sollte. Doch die Plastiktüte wird erst ein einigen Millionen Jahren verrottet sein, wenn sie nicht aus biologischen Substanzen besteht – wie die wenigsten der genutzten Beutel bundesweit.
Was am Ende bleibt ist die Frage, wann der Respekt vor den Verstorbenen ebenso verloren gegangen ist wie die Solidarität mit anderen Hundebesitzern, die die Verantwortung für ihr Tier ernst nehmen? Nicht erst seit dem Lockdown, in dem plötzlich so viele ihre Liebe für ein Tier entdeckt und teilweise schnell wieder verloren haben. Ein Haustier zu hegen und zu pflegen ist viel mehr als nur ein paar Streicheleinheiten und Futter. Diese Verantwortung hört nicht auf dem Gehweg oder der Wiese auf – und sie ist sicherlich nicht mit dem Zahlen der Hundesteuer abgegolten. (cs)