Viersener Schützen mit dem Engagementpreis NRW 2025 ausgezeichnet

Mit einer Idee, die aus der Praxis des Vereinslebens entstanden ist und inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet, ist die St. Josefs und St. Gereon Schützenbruderschaft Viersen mit dem Engagementpreis NRW 2025 ausgezeichnet worden.
Von RS-Redakteurin Sabrina Köhler

Viersen/Düsseldorf – Im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am gestrigen Montag in Düsseldorf überreichte Ministerpräsident Hendrik Wüst einen der beiden Jurypreise an das Viersener Projekt „Vorstandspraktikum / Leitfaden ‚Das Vorstandspraktikum‘“. Damit rückte ein Engagement in den Mittelpunkt, das beispielhaft zeigt, wie ehrenamtliche Strukturen zukunftsfähig gestaltet werden können.

Der Engagementpreis NRW wird jährlich von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens in Kooperation mit der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege vergeben. Ziel ist es, herausragende freiwillige Initiativen sichtbar zu machen und ihre Wirkung für das gesellschaftliche Miteinander zu würdigen. Erstmals zeichnete die Jury in diesem Jahr fünf Projekte aus, nachdem sie sich entschieden hatte, zwei Jurypreise zu vergeben. Neben dem Viersener Projekt erhielt auch die Sportjugend im Landessportbund NRW aus Duisburg einen Jurypreis. Ergänzt wurden diese Auszeichnungen durch zwei Sonderpreise sowie einen Publikumspreis.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das diesjährige Leitthema „Nachwuchs sichern und Zukunft gestalten – Talente fördern und Potenziale entfalten“. Genau hier setzte das Viersener Projekt an. Wie viele traditionelle Vereine stand auch die Schützenbruderschaft vor der Herausforderung, junge Mitglieder für Vorstandsarbeit zu gewinnen. Zwar war das Interesse am Vereinsleben vorhanden, doch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, blieb häufig aus. Unsicherheit über Aufgaben, Zeitaufwand und Erwartungen hielt viele davon ab, ein Amt anzustreben.

Den entscheidenden Impuls lieferten schließlich zwei Jugendliche aus den eigenen Reihen. Mit gerade einmal 16 und 17 Jahren brachten sie die Idee ein, ein „Vorstandspraktikum“ zu erproben – angelehnt an das Prinzip beruflicher Praktika. Statt sofortiger Verpflichtungen sollten junge Mitglieder zunächst unverbindlich Einblicke in die Arbeit des Vorstands erhalten. Die Vereinsführung griff den Vorschlag auf und entwickelte daraus ein strukturiertes Modell, das den Nachwuchs schrittweise an Leitungsaufgaben heranführt.

Während des Praktikums nehmen die Jugendlichen an Vorstandssitzungen teil, begleiten Entscheidungsprozesse, stellen Fragen und übernehmen erste, klar umrissene Aufgaben. Sie lernen Abläufe, Zuständigkeiten und Herausforderungen kennen, ohne sofort Verantwortung für ein Amt tragen zu müssen. Dieses transparente Heranführen erwies sich als Schlüssel zum Erfolg. Nach wenigen Monaten entschieden sich beide ersten Praktikantinnen, offiziell Vorstandsaufgaben zu übernehmen. Heute ist das Vorstandspraktikum fester Bestandteil der Jugendarbeit der Bruderschaft und wurde in einem eigenen Leitfaden dokumentiert, der auch anderen Vereinen als Orientierung dient.

Die Jury des Engagementpreises würdigte insbesondere die einfache Übertragbarkeit des Konzepts. Das Projekt zeige, dass nachhaltige Nachwuchsarbeit nicht zwingend aufwendige Programme benötige, sondern vor allem Offenheit, Vertrauen und die Bereitschaft, junge Menschen ernsthaft einzubinden. Mit dem Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro ist das Viersener Projekt zudem finanziell gestärkt, um die Weiterentwicklung und Verbreitung des Modells voranzutreiben.

Ministerpräsident Hendrik Wüst betonte bei der Verleihung die gesellschaftliche Bedeutung ehrenamtlichen Engagements. Nordrhein-Westfalen lebe von Menschen, die Verantwortung übernehmen, sich einbringen und Gemeinschaft gestalten. Der Engagementpreis sei eine Gelegenheit, diese Initiativen sichtbar zu machen und ihre Geschichten zu erzählen. Projekte wie das Vorstandspraktikum zeigten, wie Ehrenamt Zukunft habe, wenn junge Menschen früh eingebunden und gefördert würden.

Neben dem ersten Jurypreis für Viersen erhielt das Duisburger Projekt „Talente von heute – Führungskräfte von morgen!“ der Sportjugend im Landessportbund NRW den zweiten Jurypreis. Über ein Jahr hinweg qualifiziert das Programm junge Erwachsene für Führungsaufgaben im Sport, unter anderem durch eine anerkannte Ausbildung zum Vereinsmanager C sowie ergänzende Module in Rhetorik, Netzwerkarbeit und Persönlichkeitsentwicklung. Seit dem Start im Jahr 2011 haben mehr als 100 Teilnehmende das Programm durchlaufen, viele von ihnen sind heute in leitenden Funktionen aktiv.

Darüber hinaus wurden weitere Initiativen ausgezeichnet. Der Sonderpreis der Nordrhein-Westfalen-Stiftung ging an den AckerBildung e.V. aus Blomberg für das Projekt „AckerBildung wirkt weiter“, das Kinder und Jugendliche praktisch an Natur, Landwirtschaft und nachhaltige Ernährung heranführt. Einen weiteren Sonderpreis, vergeben vom Ministerium für Schule und Bildung, erhielt der Kölner Verein inteGREATer e.V. für sein Projekt „Integration durch Bildung – inteGREATer NRW“, das junge Menschen unabhängig von Herkunft oder sozialem Hintergrund beim Bildungsaufstieg unterstützt. Der Publikumspreis wurde an das Coesfelder Open-Air-Festival „Rock am Turm – Open Air gegen Extremismus & Intoleranz“ verliehen, das seit 2001 mit großem ehrenamtlichem Einsatz ein Zeichen für Toleranz setzt.

Mit der Auszeichnung auf Landesebene ist für die Viersener Schützen der Weg noch nicht zu Ende. Alle fünf Preisträger des Engagementpreises NRW 2025 sind automatisch für den Deutschen Engagementpreis 2026 nominiert, der im Dezember 2026 in Berlin verliehen wird. Damit erhält das Viersener Vorstandspraktikum die Chance, auch bundesweit Aufmerksamkeit zu erlangen und als Beispiel für zeitgemäße Vereinsarbeit zu dienen. (sk)

Foto: Land NRW