Vor dem Jugendschöffengericht in Mönchengladbach hat heute das Verfahren gegen den Viersener Tanzlehrer Michael B. begonnen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er in einem Fall einen schweren sexuellen Missbrauch an einem Kind verübt zu haben soll. Insgesamt 39 Fälle stehen zur Verhandlung. Am ersten Verhandlungstag wurden erschreckende Details seiner Handlungen bekannt.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker
Viersen – Verspätet begann am heutigen Morgen das Verfahren gegen den bekannten Tanzlehrer Michael B. vor dem Gladbacher Jugendschöffengericht, der im Juli 2020 überraschend verhaftet worden war. Dem langjährigen Inhaber der ehemaligen Tanzschule in Alt-Viersen wirft die Staatsanwaltschaft Straftaten in 39 Fällen vor. Zwischen 2015 und 2020 soll Michael B. vier Schülerinnen in 36 Fällen sexuell missbraucht zu haben – in einem Fall schwer. Die Mädchen waren alle zwischen zwölf und fünfzehn Jahren alt. Zudem spricht die Anklage von einer versuchten sexuellen Nötigung in einem minderschweren Fall und dem Besitz kinder- sowie jugendpornografischer Schriften, wodurch 39 strafbare Fälle im Raum stehen.
Der Angeklagte befindet sich seit geraumer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung. Mit der Anklageschrift wurden weitere Details bekannt gegeben. So habe Michael B. in der Zeit der Sommerferien 2016 eine Schülerin zunächst geküsst und dann zu gegenseitigen sexuellen Handlungen aufgefordert. Er habe diese auch mit dem im August 2003 geborenen Mädchen durchgeführt. In der Folge forderte er sie mehrfach auf sich bei Handlungen an sich selbst beim Petting zu filmen und gab hierzu „Regieanweisungen“. Ebenso schrieb er ihr, was er gerne mit ihr tun würde. Die Anklage geht in diesem Fall von einem schweren sexuellen Missbrauch aus.

Solche Nachfragen habe er zudem bei weiteren Schülerinnen per Messenger gestellt, darunter zwischen Juni 2017 und Sommer 2018 bei einer im August 2004 geborenen Schülerin. Die Ermittler fanden auf seinem Handy Aufforderungen Sexbilder zu übersenden. Auf diese Aufforderungen hin schickten die dreizehn bis fünfzehn Jahre alten Mädchen Nacktfotos oder von ihm verlangte Videos sexueller Handlungen. Auf die in der Verhandlung genannten Details wird zum Schutz der Geschädigten weitgehend verzichtet.
Ein anwesender Vater berichtete von einem „Schneeballprinzip“. Der Tanzlehrer habe Mädchen, die nicht gefügig waren und ausscherten ins Abseits gestellt, habe Lob und Anerkennung entzogen. Selbst von der Gruppe seien diese Mädchen wie Aussätzige behandelt worden, so groß war der Einfluss. Umso unverständlicher für ihn, das die Anklage nicht von einer Misshandlung von Schutzbefohlenen spricht.
Die Verhaftung und die Vorwürfe hatten sich in Viersen verbreitet wie ein Lauffeuer, innerhalb kürzester Zeit hatte die Tanzschule ihr Angebot eingestellt. Der mittlerweile 38-jährige Angeklagte wird durch den Mönchengladbacher Rechtsanwalt Rainer Pohlen vertreten. Vorsitz hat Richter am Amtsgericht, Dr. Ohrmann, der gemeinsam mit den Schöffen Doris Elisabeth Zillikens und Rolf Elbern voraussichtlich am 30. Mai eine Entscheidung treffen wird. Die Nebenkläger werden vertreten durch Rechtsanwalt Markus Kluck und Rechtsanwältin Gabriele Reinartz aus Neuss. „Meine Mandantin ist froh, dass das Verfahren nun endlich losgeht, damit sie im Anschluss das Erfahrene aufarbeiten kann“, so Rechtsanwalt Markus Kluck, dessen Klientin mittlerweile 19 Jahre alt ist.

Richter am Amtsgericht, Dr. Ohrmann, hatte zuvor mit der Verteidigung Kontakt aufgenommen, damit die Mädchen nicht aussagen müssen. Eine Einlassung könnte seiner Meinung nach strafmildernd wirken. Für diese wurde die Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen, der Angeklagte zeigte sich weitgehend geständig.
Es habe kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Tanzlehrer und Schülerinnen gegeben, so die bisherige Erkenntnis des Gerichts, das sieht die Nebenklage anders, die den Antrag einer Nachtragsklage stellte, da weitere Fälle bei der Polizei vorgetragen worden seien. Die Entscheidung des Gerichts steht hierzu noch aus.
Ein Gutachten weist auf Vorfälle im Getränkelager, im Büro und in den Privaträumen des angeklagten Tanzlehrers hin, dort solle er versucht haben Analverkehr mit einem der Mädchen durchzuführen. Zum Vollzug kam es nicht, das Mädchen werte sich gegen ihren Tanzlehrer.
Die Ermittlungen gegen den Viersener wurden aufgenommen, weil ein von einem Opfer beauftragter Rechtsanwalt Strafanzeige gegen den Mann erstattete. Mit Bekanntwerden befragten Ermittler des Kriminalkommissariats 1 mehrere, ehemalige Tanzschülerinnen und identifizierten dabei weitere Opfer. Ein Pressesprecher des Landgerichts bestätigte zwar die Höchststrafe von 15 Jahren bei der schwersten vorgeworfenen Straftat, da die Staatsanwaltschaft Anklage beim Amtsgericht erhoben hat, ist im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als vier Jahren zu erwarten. Möglich ist eine Abgabe an eine höhere Stelle, sollte das Gericht zu der Erkenntnis kommen, dass die Höchststrafe für die vorgeworfenen Straftaten zu milde ist. Das Verfahren wird am 9. Mai fortgeführt. (nb)
Stand 01.05.2022/11.20 Uhr, das Verfahren dauert unter Ausschluss der Öffentlichkeit an.
