Baustellendebakel Große Bruchstraße: „Es gibt Kunden, die kommen schon lange nicht mehr“

Die Baustellenproblematik rund um den Viersener Tiefensammler hält an. Ursprünglich war angekündigt worden die Große Bruchstraße in diesem Sommer wieder zu eröffnen, doch der Termin wurde nun auf Ende des Jahres verschoben. Für die meisten Geschäftsleute ein Desaster.
Von RS-Redakteurin Claudia-Isabell Schmitz

Viersen/Kommentar – Bereits in 2019 begannen die ersten Arbeiten, die die Freiheitsstraße in der Viersener Innenstadt innerhalb kürzester Zeit in eine Großbaustelle verwandelten. Eigentlich sollte diese im Juli 2022 ihr Ende finden. Längst ist bekannt, dass das wohl nur ein hehrer Wunsch der Betroffenen ist, die ihre Geduld schon in den vergangenen Jahren verloren haben.

Ursprünglich war auch eine vollständige Öffnung der Großen Bruchstraße für diesen Monat angekündigt worden, die von den Geschäftsleuten dringend erwartet wurde, denn die Baustelle sorgt seit Start für Einschränkungen, die seit Langem am Monatsende in der Buchhaltung der Geschäfte sichtbar sind. Nachdem keine Öffnungsfortschritte wahrzunehmen waren, wandten sich Inhaber an die Stadt Viersen und danach an die NEW, mit der ernüchternden Auskunft, dass sich die Öffnung wohl noch sechs Monate hinziehen wird. Hinzu kommt die Befürchtung der Anwohner und Geschäftsinhaber, dass im Anschluss eine Umgestaltung der Großen Bruchstraße geplant ist, die bei den Betroffenen nicht auf fruchtbaren Boden fällt.

„Bis Dezember soll die Baustelle an der Großen Bruchstraße noch andauern“, sagt ein Betroffener, der nicht genannt werden möchte, „die NEW hat mir gesagt, dass noch Gasleitungen im Bereich der Viktoriastraße gezogen werden müssen und auch der Park soll neugestaltet werden. Alle Einzelhändler schweben in akuter Gefahr, in der letzten Zeit ist ein weiterer Leerstand hinzugekommen. Einige unserer Kunden kommen schon gar nicht mehr und verweisen auf die Anfahrtproblematik.“ Dass sich niemand im Vorfeld gemeldet hätte, zeige wie sehr die Stadt sich um die Einzelhändler bemühen würde – der Unmut ist groß. „Es kümmert sich keiner um unsere Straße, man interessiert sich nicht für uns.“

Foto: Rheinischer Spiegel

Je nach Geschäft mussten mittlerweile die Hälfte der Arbeitsplätze gestrichen werden, andere haben viel investiert, um nach der Öffnung neu durchstarten zu können. Dass nun die Hoffnungen zunichte gemacht werden, sitzt tief. Die Geschäftsinhaber sind sich sicher, man könnte kreativ helfen mit Märkten, Straßenfesten, weniger Gewerbesteuer & Co. „Es gäbe so viele Ideen, wenn man uns denn helfen will. Corona-Krise, Sperrung und Ukraine-Krieg haben für ein Desaster gesorgt.“ Cornelia Cassel, die Inhaberin des Modegeschäftes „Einfach sagenhaft“ stimmt der Problematik zu. „Ich mag die Straße unwahrscheinlich gerne“, so Cornelia Cassel, die eigentlich aus Düsseldorf stammt, hat im November vergangenen Jahres ihr Geschäft geöffnet. „Jetzt kam die Hiobsbotschaft, dass die Öffnung erst im Dezember erfolgt – wenn überhaupt. Ich habe viele Kunden aus der Region, und auch wenn diese hierhin finden, beschweren sich alle über die schwierige Anfahrt oder die Parkmöglichkeiten. Es ist einfach viel zu kompliziert, denn es ist ja nicht nur die Baustelle auf der Freiheitsstraße.“ Laufkundschaft könnte sie gar nicht mehr begrüßen und die Ungewissheit der angekündigten Corona-Welle beschäftigt sie zudem. „Wir würden uns freuen, wenn ein wenig Unterstützung von der Stadt kommt, denn wir fühlen uns allein gelassen. Beispielweise hören die Blumenampeln am Gereonsplatz einfach auf.“

Stefan Maxen vom Nähzentrum Maxen kann den Unmut verstehen, der für ihn aus verschiedenen Mosaiksteinen besteht. „Wären Sie eine halbe Stunde früher gekommen, hätten sie sich mit einer Kundin gerne über den Ärger unterhalten können, den die Baustelle hervorruft“, lächelt eine der Angestellten. Gerade für die älteren Kundinnen ist der Weg enorm beschwerlich und kein Ende ist in Sicht. „Wir haben Kunden, die sagen wir können ja nicht oder wie lange dauert es denn noch?“, so Stefan Maxen. Die Baustelle beginne schließlich schon bei der Einfahrt nach Viersen und sorge dafür, dass einige gar nicht mehr den Weg auf sich nehmen. „Aber das ist gar nicht alles. Ein Beispiel ist die Straßenreinigung, die zwar die Straße hoch und runter fährt, aber aufgrund der Autos gar nicht an den Bordsteinrand kommt. Dagegen gibt es hier Ecken, wie beispielsweise die Einfahrt zur Königsallee, die bei der Pflege einfach vergessen werden und wo das Unkraut fleißig wächst.“

Der Inhaber des Traditionsgeschäfts sagt klar, dass er keinen Umbau der Großen Bruchstraße im Anschluss an den Tiefensammler wolle. Die letzten Jahre haben für genug Einbußen gesorgt. „Ich will nicht, dass die Große Bruchstraße noch einmal umgebaut wird. Wenn dann die Fußgängerwege auch noch aufgerissen werden und ich keine Ware mehr erhalten kann, weil die Speditionen nicht einfahren können. Noch einmal zwei Jahre, das würde uns dramatisch treffen.“ Natürlich gebe es in jeder Stadt solche Straßen, die mit Leerstand glänzen, doch man müsse als Stadtplanung die Katastrophe nicht noch herausfordern.

Foto: Rheinischer Spiegel

„Im Gesamten sehe ich, dass es einer Stadtverwaltung relativ egal ist, was in den Randbezirken mit Gewerbetreibenden oder Betroffenen passiert“, so Bernd Knappmeier vom Geschäft „Schloss & Schlüssel Knappmeier“. „Grundsätzlich haben wir an jeder Ecke ein Problem, welches sich ohne Probleme und ohne Geld lösen ließe, wenn sich denn jemand einsetzen würde. Aber es setzt sich niemand ein – gegen Windmühlen zu kämpfen hat Don Quijote schon versucht. Mir tun die umliegenden Gewerbetreibenden und Bewohner der Großen Bruchstraße leid, dass sie das ertragen müssen.“ Durch die wachsende Veränderung zu immer mehr zu externen Terminen innerhalb seiner Branche konnte er die Baustelleneinschränkungen auffangen. Was jedoch auch ihm ein Dorn im Auge ist, ist die allgemeine Verunreinigung.

Graffiti dominiert an einigen Stellen, das Unkraut wächst und es gibt Plätze in der Südstadt, die mit eintretender Dunkelheit zum Angstraum werden. Ein Anwohner nickt: „Abends gehe ich hier nicht mehr durch, ich fühle mich hier nicht mehr wohl. Es ist eine schleichende Gettoisierung, die durch die ganzen Programme nicht aufgehalten wurde. Eine riesige Geldverbrennmaschine, damit hätte man ganz andere Projekte umsetzen können.“ Er zeigt auf den kleinen Platz Ecke Große Bruchstraße/Königsallee und weist auf ein hässliches Katzenklo hin. „Und der Gereonsplatz ist auch mittlerweile ein Schandfleck, welcher Planer lässt nur solche Arbeiten zu.“ (cs)

 

 

2 Kommentare

  1. ……und wenn man sich dann noch die heruntergekommenen Fassaden ansieht, wirklich ein Jammer, wie diese Straße verkommt.

  2. Übrigens:
    Die Umgestaltung der Straße, sowie das Verlegen der Gasleitungen ist doch schon seit Jahren geplant.
    Warum wurden nicht im Zuge der Sperrung die notwendigen Arbeiten durchgeführt?
    Seit zwei Jahren liegt die Straße tot und verkommt.
    Was soll das???

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