Wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag ist Hubert Weinzierl, einer der prominentesten deutschen Naturschützer in seiner niederbayerischen Heimat, auf Schloss Wiesenfelden gestorben.
Nachruf – Sein ganzes Leben lang hat er sich, gelernter Förster und Landwirt, unermüdlich für den Schutz der Natur, der Tiere und der Umwelt – zunächst im bayerischen BUND Naturschutz eingesetzt, wo er 1970 zu einem der Mitbegründer des Nationalparks Bayerischer Wald wurde. Danach gründete er 1975 den bundesweiten BUND (Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland) zusammen mit anderen prominenten Naturschützern, wie dem prominenten Journalisten Horst Stern, dem weltbekannten Zoologen Bernhard Grzimek, mit dem Ökologen Herbert Gruhl, Gründer der ökologischen Partei und mit dem Dirigenten und kämpferischen Naturschützer Enoch von Guttenberg. Der allerdings trat 2012 wieder aus dem BUND aus – aus Protest gegen die schon damals vom BUND befürworteten „landschaftszerstörerischen“ Windkraftanlagen – auf kosten vor allem der gesamten Vogelpopulationen.
Das bedingungslos Kämpferische war für die meisten der „Gründungsväter des BUND“ wesentliche Grundvoraussetzung für ihr selbstloses Naturschutz-Engagement, und das in einer Zeit, in der ein zügelloser Raubbau an den natürlichen Ressourcen und die hemmungslos in die Atmosphäre gestoßenen Emissionen hierzulande und weltweit bereits in vollem Gang war – der bereits sichtbare Beginn des Klimawandels.
Manche erinnern sich vielleicht noch an die monatelangen Massenproteste im Bayerischen Wald zu Beginn der 80er Jahre gegen die vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß geförderte und mit polizeilicher Gewalt durchgesetzte „atomare Wiederaufbereitungsanlage“ im niederbayerischen Schwandorf (Jahre später wurde das Millionenprojekt vom Betreiber „ersatzlos“ gestrichen). Hier stand Hubert Weinzierl – neben vielen Gemeindepfarrern, Bürgermeistern, Landräten, Vertretern der bürgerlichen Gesellschaft und der Studenten in der vordersten Reihe, umringt von einem Massenaufgebot der Polizei, bewaffnet mit Schlagstöcken und Wasserwerfern.
„Auch als Strauß ohne Rücksicht quer durch das romantische Altmühltal den „Rhein-Main-Donaukanal“ baggern ließ, kämpfte Weinzierl als BUND Vorsitzender – wenn auch ohne Erfolg – um dessen Erhalt.
Und hier zu Beginn der 80er Jahre trafen wir ihn auch persönlich – in jener Zeit waren wir beide, meine Frau und ich, beruflich in Regensburg tätig – bei einer dieser Massenproteste; seit dieser Zeit sind wir miteinander befreundet.
Jahre später, 1995 – inzwischen lebten wir am linken Niederrhein – haben wir schmerzhaft erfahren müssen, wie die Natur in der Niederrheinischen Landschaft und dem angrenzenden Ruhrgebiet durch ungebremste, massive bauliche Eingriffe und gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung und dem ungebremsten Einsatz von Pestiziden auf den niederrheinischen Äckern drohte, zu kollabieren drohte. In dieser Situation haben wir uns beide entschlossen – parallel zu unseren anstrengenden Berufen – uns mit aller Kraft für den Schutz und Erhalt der Natur und Tierwelt am Niederrhein einzusetzen.
Und weil wir Hubert Weinzierl ja bereits kannten, war es für uns selbstverständlich, ihn zu einer Podiumsdiskussion anlässlich der Neugründung einer BUND-Gruppe in Viersen einzuladen – zusammen mit einem NRW- Staatssekretär und einem Umweltbeauftragten der Evangelischen Landeskirche Rheinland. Nach dieser viel beachteten Veranstaltung haben wir Hubert Weinzierl versprochen, dass er sich darauf verlassen könne, dass wir in seinem Sinn „aus Liebe zur Natur“ aktiv werden wollten. Und wir haben dieses Versprechen, das wir ihm vor 30 Jahren gegeben hatten, gehalten – bis zum heutigen Tag,
Hubert Weinzierl war sein Leben lang nicht nur ein streitbarer und deshalb oft unbequemer Verfechter für die Natur und ihrer Notwendigkeiten, die es zu schützen galt – auch gegen oft sehr gewichtige wirtschaftliche Interessensgruppen. Er hat in diesen Jahren eine ganze Reihe von Büchern verfasst, die mit seinen sehr einfühlsamen Texten und Gedichten seine große Liebe zur Natur offenbaren – vor allem für jene, die die Natur auch in ihrer empathischen Größe und Schönheit wahrzunehmen bereit sind.
Aber wie in vielen anderen Bereichen unseres Alltags, hat sich inzwischen im Natur- und Umweltschutz, aufgrund der allseits bekannten Zeitumstände, auch eine nicht unwichtige andere Gruppe von Interessensvertreter im Natur- und Umweltschutz herangebildet, die sich primär mit den von den staatlichen Natur- und Umwelt- Behörden betriebenen bürokratischen Entwicklungen, Planungen und verwaltungstechnischen Auseinandersetzungen beschäftigt. Und es ist auch nicht immer ihre Schuld, wenn dabei die für das Naturschutz- Engagement so dringend notwenige Motivation: die Liebe zu Natur abhandengekommen ist.
Hubert Weinzierl war immer ein Überzeugungstäter, in allen seinen Ämtern und Positionen. Er besaß stets die Phantasie, das eine oder andere Mal die behördliche Bürokratie auch mal „aufs Kreuz zu legen“. Und er hatte ein ganz seltenes, heute fast ausgestorbenes Talent: Er hatte viel Geduld und Ausdauer, wenn es darauf ankam! Und er lebte mit einer sehr engagierten Frau zusammen, Beate Seitz- Weinzierl, die auch in schweren Stunden an fest an seiner Seite stand. Wie etwa in jenem Jahr, als sein Nachfolger im BUND-Bundesvorsitz ihm verweigerte, das vom Ehepaar Weinzierl-Seitz aufgebaute Umwelt-Informationszentrum auf Schloss Wiesenfelden (ihrem Wohnsitz) wie geplant in den BUND zu übernehmen.
Das und noch viel mehr haben ihn, in seinen sichtbaren und unsichtbaren Einsätzen für die von ihm geliebte Natur, geprägt, unverwechselbar gemacht und angreifbar. Er wird aber dennoch – auch gemessen an vielen anderen großen Zeitgeistern – vorrangig in unserer aller persönlichen Erinnerungen unsterblich gemacht. Wegen seiner offen gezeigten Liebe zu allen natürlichen Lebewesen, war es unvermeidbar, dass er oft auch innerverbandlich polarisierte. Wir, meine Frau und ich, jedenfalls danken ihm, dass er in all diesen Jahren für uns wie ein Leuchtturm war – immer wenn wir im Natur-, Tier- und Umweltschutz Orientierung suchten, hat er uns gezeigt, wo es lang geht …“
Almut Grytzmann-Meister
und Horst Meister – BUND Mitglieder (opm)
