Am ersten Adventssonntag erstrahlte die Viersener Kreuzkirche in einem ganz besonderen Licht. Mit einer tief bewegenden Zeremonie wurde der „Weihnachtsbaum für Sternenkinder“ enthüllt – eine herzerwärmende Initiative von Cornelia Pearse, Mütterpflegerin und selbst betroffene Mutter. Der Baum dient als Ort des Gedenkens und der Verbundenheit für Eltern, Angehörige und Freunde von Kindern, die vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker und Martin Häming
Viersen – Unter dem Motto „Erinnerung schenken – Trost finden“ bietet der Weihnachtsbaum einen Raum um individuelle Schmuckstücke aufzuhängen: von selbst gebastelten Ornamenten bis hin zu liebevoll gestalteten Sternen mit den Namen der verstorbenen Kinder. Jedes Schmuckstück erzählt eine stille Geschichte und steht für die unvergängliche Liebe der Familien. „Dieser Baum ist für euch und eure Sternenkinder. Er ist ein Ort des Erinnerns, des Sichtbarmachens und der Verbundenheit“, betonte Cornelia Pearse.
Die feierliche Aufstellung des Baumes lockte viele Menschen an, die ihrer Trauer Ausdruck verleihen und Trost in der Gemeinschaft finden wollten. Cornelia Pearse selbst kennt den Schmerz, den der Verlust eines Kindes hinterlässt. Als Mutter von zwei Sternenkindern liegt ihr das Thema besonders am Herzen: „Unsere Erfahrung hat uns gezeigt wie oft Fehl- und Totgeburten tabuisiert werden. Mit dem Sternenkinder-Weihnachtsbaum wollen wir nicht nur an unsere Kinder erinnern, sondern auch das Schweigen brechen.“
Nach der Zeremonie fand in der Kreuzkirche ein bewegender Gottesdienst statt, der Trost und Hoffnung spendete. „Der Austausch in einer solchen Gemeinschaft kann heilend wirken“, so Pfarrerin Katinka Brunotte. Der Baum wird bis zum 28. Dezember 2024 stehen, um während der gesamten Adventszeit als Ort der Begegnung und Besinnung zu dienen. „Danach nehmen wir die Anhänger behutsam ab. Wer möchte, kann seinen Anhänger gerne vorher selbst abholen“, so die Initiatorin.
Die persönliche Geschichte der Familie Pearse, die selbst zwei Sternenkinder betrauert, stand am Beginn dieser Initiative. Ihre Erfahrungen, geprägt von Schmerz, Einsamkeit und schließlich Heilung durch Gemeinschaft, unterstreichen die Bedeutung solcher Projekte. „In unserer Gesellschaft wird der Verlust eines Kindes oft verschwiegen. Dabei brauchen betroffene Familien Unterstützung, Verständnis und Raum für ihre Trauer“, erklärte Pearse. Durch ihre Arbeit als Mütterpflegerin setzt sie sich aktiv für solche Familien ein und möchte das Thema Sternenkinder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.
Mit Aktionen wie dem Sternenkinder-Weihnachtsbaum beginnt ein Wandel: Die Initiative zeigt, dass es möglich ist Trauer und Verlust sichtbar zu machen, ohne allein zu sein. „Dieser Baum ist ein Symbol für Hoffnung, Trost und die unvergängliche Liebe zu unseren Kindern“, fasste Pearse zusammen. Wer sich mit eigenen Erinnerungsstücken beteiligen oder Fragen zur Aktion stellen möchte, kann sich direkt an Cornelia Pearse wenden (info@mamisfreundinconny.de oder über Instagram unter @muetterpflege_cornetiapearse).
Für die Pearses ist dies erst der Anfang: „Als ich von der Aktion der Weihnachtsbäume für Sternenkinder von den Eltern des kleinen Louis aus München erfuhr, entstand in mir sofort der Wunsch einen solchen Baum auch hier bei uns aufzustellen. In Bezug auf dieses Thema muss sich in unserer Gesellschaft noch vieles ändern. Die Sternenkindbäume in Viersen und Elmpt sind der erste Schritt in diese Richtung und einige weitere Ideen, die ich im neuen Jahr umsetzen möchte, stehen bereits in den Startlöchern.“
Ein Blick zurück … Jan und Cornelia Pearse sind Eltern von drei Kindern, von denen zwei als Sternenkinder viel zu früh von ihnen gingen. Ihr erstes Kind verloren sie in der 7. Schwangerschaftswoche (SSW) im Januar 2023, das zweite im Juni 2024 in der 13. SSW. Diese Verluste haben nicht nur ihr Leben nachhaltig verändert, sondern auch ihren beruflichen Weg geprägt.
Nach dem ersten Verlust erlebten die Pearses hautnah wie tabuisiert das Thema Fehlgeburt in unserer Gesellschaft ist. Trotz der Tatsache, dass in Deutschland jährlich über 3000 Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt sterben (Stand 2021), standen sie damals allein da. „Wir hatten keine Hebamme, keine Informationen und keine Vorbereitung auf das, was kommen würde. Auch über unsere Rechte und Möglichkeiten, wie eine Bestattung oder den Mutterschutz, mussten wir uns selbst informieren“, erklärt Cornelia Pearse. Diese Isolation machte den Verlust umso schwerer.
Ihre Erfahrungen im Umgang mit Sternenkindern führten Cornelia Pearse zu einer wichtigen Entscheidung. Nach dem Ende ihrer Elternzeit im November 2023 entschied sie sich für eine berufliche Neuorientierung. Inspiriert von einer Bekannten begann sie eine Weiterbildung zur Mütterpflegerin, um Familien in der oft herausfordernden Zeit nach der Geburt zu unterstützen. Während dieser Ausbildung begegnete ihr immer wieder das Thema Fehlgeburt, was sie dazu bewegte, auch eine Spezialisierung in diesem Bereich zu machen. „Ich wollte betroffenen Familien die Unterstützung geben, die uns damals fehlte.“
Als sie 2024 erneut schwanger wurde, bereitete sich das Ehepaar bewusst anders auf die Schwangerschaft vor. Sie wechselten den Gynäkologen, suchten frühzeitig eine Hebamme und informierten Familie und Freunde, um ein stützendes Netzwerk zu schaffen. Trotz guter Gefühle und positiver Entwicklungen endete die Schwangerschaft in der 13. Woche erneut tragisch. Doch diesmal waren die Umstände anders: Eine Hebamme, eine einfühlsame Gynäkologin, ein erfahrener Bestatter und ein unterstützendes Umfeld halfen den Pearses, diese schwere Zeit zu bewältigen.
„Dank dieser Menschen wurde das Erlebnis erträglicher. Wir konnten unser Baby in liebevollem Rahmen verabschieden, haben Erinnerungsstücke und einen schönen Ort, an den wir gehen können. Diese Erfahrung war sogar heilsam im Bezug auf unsere erste Fehlgeburt“, berichtet Cornelia Pearse.
Mit ihrer Arbeit als Mütterpflegerin und durch ihre Spezialisierung auf den Bereich Fehlgeburt möchte Cornelia Pearse anderen Eltern helfen die in ähnlichen Situationen sind. „Keiner sollte in so einer schweren Zeit alleine sein. Es braucht mehr Offenheit und Unterstützung für Familien, die ihre Kinder vor oder kurz nach der Geburt verlieren.“ Jan und Cornelia Pearse hoffen, durch ihre Geschichte und ihr Engagement das Schweigen um das Thema Sternenkinder zu brechen und betroffenen Familien Wege zu zeigen, mit ihrer Trauer umzugehen.
Der Sternenkinder-Weihnachtsbaum steht bis zum Ende der Weihnachtszeit an der Evangelischen Kreuzkirche als sichtbares Zeichen für das, was oft im Verborgenen bleibt: Die Erinnerung an geliebte Kinder, die viel zu früh gehen mussten, und die Hoffnung, dass ihre Geschichten niemals vergessen werden. (nb)