Im Unterbeberich übernahm die Jugend das Zepter

Drei Tage lang stand Unterbeberich ganz im Zeichen der Tradition, des Miteinanders und einer beeindruckenden Portion Lebensfreude: Das Schützen- und Heimatfest der St. Remigius-Bruderschaft 1663 e.V. wurde auch in diesem Jahr wieder mit großer Hingabe gefeiert – wenn auch ohne klassisches Königshaus.
Von RS-Redakteurin Claudia-Isabell Schmitz und Martin Häming

Viersen-Unterbeberich – Ohne klassisches Königshaus? Leider, denn beim vergangenen Vogelschuss hatte sich kein Kandidat für die Königswürde gefunden. Das tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die Bruderschaft zeigte eindrucksvoll, wie gelebte Gemeinschaft und Engagement in der Gegenwart aussehen können – besonders in der Jugend.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Mit insgesamt 119 Mitgliedern ist die St. Remigius-Bruderschaft eine feste Größe im Viersener Vereinsleben. Und obwohl in diesem Jahr kein König antrat, konnten zwei junge Würdenträger das Fest mit Stolz repräsentieren: Der 22-jährige Hendrik Geuen wurde als Jungschützenprinz gefeiert. Ihm zur Seite standen seine Schwester Jule Geuen und Max Schroeren als Minister. In der Schülerklasse trug der 14-jährige Florian Schmitz die Prinzenwürde. Ihn begleiteten seine Cousine Lea-Sophie Schmitz sowie Milo Andres als Junker.

Bereits am Freitag wurde das Fest mit einem farbenfrohen Umzug eröffnet, der vom Bebericher Grund zum Festzelt an der Weiherstraße führte. Dort sorgte die Live-Band „Festzelthelden“ beim Prinzenball für ausgelassene Stimmung. Der Samstag war ganz dem traditionellen Schützenball und dem Umzug durch die Sektion gewidmet – beides in gewohnt stilvoller Weise, getragen von Kameradschaft und Stolz auf die eigene Historie. Der Sonntag schließlich bildete mit Wortgottesdienst, großem Zapfenstreich, der traditionellen, fantastischen (aber leider verregneten) Parade und dem abschließenden Vogelschuss im Festzelt einen glanzvollen Abschluss.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

In diesem Jahr wurde besonders deutlich, wie stark sich die Jugend in die Bruderschaft einbringt. Eine neue Gruppe, die sich aus den Reihen der jungen Mitglieder herausbildet, wird künftig eigene Akzente setzen. Diese Entwicklung ist ein ermutigendes Zeichen für den Fortbestand der Bruderschaft in einer Zeit, in der viele Vereine um Nachwuchs ringen. Gleichzeitig feierte die Offiziersgruppe der Bruderschaft ihr 50-jähriges Bestehen – ein bemerkenswertes Jubiläum, das eindrucksvoll zeigt, wie Tradition und Wandel innerhalb der Bruderschaft Hand in Hand gehen.

Foto: Rheinischer Spiegel/Lea Peusens

Die St. Remigius-Bruderschaft blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück, die tief mit der Entwicklung Viersens verbunden ist. Ursprünglich gehörten die Männer und Junggesellen der Honschaft Beberich zur St. Matthias-Bruderschaft, die sich 1624 als zweite Viersener Bruderschaft neben der älteren St. Sebastianus-Bruderschaft formierte. Die Trennung basierte auf der Aufteilung der Honschaften in „Kirchseite“ und „Lakseite“, wie die historischen Quellen belegen.

Die Bruderschaften jener Zeit verstanden sich weniger als reine Festvereine. Sie erfüllten zentrale Aufgaben in der örtlichen Daseinsvorsorge – etwa beim Schutz der Kirchen und während Seuchenzeiten. Besonders eindrücklich ist der Bericht aus der Pestzeit des späten 16. Jahrhunderts: Bruderschaftler bargen Verstorbene und setzten sie würdig bei – ein selbstloser Dienst an der Gemeinschaft, für den ihnen gewisse Privilegien gewährt wurden.

Foto: Rheinischer Spiegel/Lea Peusens

Die ersten Hinweise auf eine eigenständige Bebericher Schützengesellschaft stammen aus dem Jahr 1744. Damals vermerkte Lehrer Wilhelm Roten in seinem Tagebuch, dass sowohl in Hamm als auch in Beberich Schützen den Königsvogel abschossen. Die Spuren reichen somit fast drei Jahrhunderte zurück. Allgemein nimmt man heute an, dass die damalige St. Remigius-Schützengesellschaft Anfang des 18. Jahrhunderts entstand. Aus ihr entwickelte sich später die heutige Bruderschaft.

Ein bedeutender Wendepunkt war das Jahr 1891, als durch den Bau der neuen Kirchen St. Josef in Rintgen und St. Peter in Bockert neue Pfarrgrenzen gezogen wurden. Diese teilten die bisher einheitliche Bebericher Sektion – ein Umstand, der schließlich 1893 zur Teilung der Schützengesellschaft führte. Die Oberbebericher Mitglieder gründeten die St. Hubertus-Bruderschaft, während die Unterbebericher den Traditionsnamen St. Remigius weiterführten. Die Trennung verlief harmonisch, das gemeinsame Vermögen wurde gerecht aufgeteilt – ein Akt des Respekts, der bis heute als beispielhaft gilt.

So präsentierte sich die St. Remigius-Bruderschaft auch beim diesjährigen Heimatfest nicht nur als Bewahrerin historischer Werte, sondern auch als aktiver und lebendiger Teil des Viersener Stadtlebens. Während die alten Geschichten wachgehalten werden, zeigt die junge Generation, dass die Gemeinschaft weiterwächst. Dass es in diesem Jahr kein Königshaus gab, wurde zur Nebensache und schließlich standen beim Vogelschuss am Nachmittag auch wieder Anwärter bereit – denn das Fest lebte durch seine Menschen, ihre Geschichte und das gemeinsame Erleben von Tradition und Gegenwart. (cs)