Es hakt bei den Schulplanungen in Viersen – Eltern kämpfen um Wunschschulen

Direkt in mehrfacher Hinsicht war das Interesse am Viersener Schulausschuss groß. Elternvertreter der Dülkener PRIMUS-Schule und der Süchtelner Brüder-Grimm-Schule sowie die Initiative „Quartierkids“ aus dem Robend nahmen teil, um auf ihre Sorgen mit Blick auf die Schullaufbahn ihrer Kinder und die Planungen der Viersener Schullandschaft aufmerksam zu machen.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Viersen – In der Festhalle wurde am Dienstagabend der Entwurf des Schulentwicklungsplans durch die Verwaltung vorgestellt, der Schulausschuss beriet ebenfalls über eine Zweizügigkeit der GGS Rahser am Standort Krefelder Straße. Die erlaubten Zuschauerplätze waren voll besetzt – fast siebzig Teilnehmer hörten zu, einige mussten draußen warten. „Es muss etwas passieren in der Viersener Schullandschaft“, denn nach der Meinung betroffener Eltern hakt es zurzeit an verschiedenen Ecken und Enden. Das zeigte sich in der Sitzung, als Johanna Lange, in Vertretung der Elterninitiative „Quartierkids“ das Wort an die Ausschussmitglieder richten durfte. Die Eltern kämpfen für eine Zweizügigkeit an der Dependance der Grundschule Rahser an der Krefelder Straße. Viele möchten ihre Kinder in die nächstgelegene Schule schicken – für sie der Standort im Robend, der allerdings nach dem Willen der Stadt Viersen nicht zweizügig ausgebaut werden soll.

Johanna Lange begann in ihrer Rede mit einem Zitat der Stadt Viersen, welches auf eine hervorragende Bildungslandschaft innerhalb der Stadt hinweist. „Seit Jahren wirbt die Stadt Viersen auf der Homepage und in zahlreichen Hochglanzbroschüren mit einer familienfreundlichen Infrastruktur um junge Familien. Viele Familien aus benachbarten Kommunen bauen auf die Versprechen der Stadt Viersen. Doch spätestens mit dem ersten Kind wird vielen Viersenern bewusst, dass der Schein trügt“, so Johanna Lange. „Ich als betroffene Mutter eines Vorschulkindes bin über momentane Situation mehr als enttäuscht. Ich würde gerne all dem hier freien Lauf lassen und aufzählen, was aus Elternsicht gerade nicht funktioniert in unserer Stadt. Aber die Worte von Dr. Moers bei unserem letzten Onlinemeeting „Wir finden eine Lösung für die Kinder unserer Stadt“ haben mich bewegt und mir ist klar geworden, dass nur wir gemeinsam eine Lösung finden.“

Foto: Elterninitiative „Quartierkids“

Die GGS Rahser wird im kommenden Jahr achtzig Schüler aufnehmen, vierzig davon, die Hälfte, hätte als Wunschschule die Krefelder Straße gewählt. „Aufgrund der gefährlichen und weiten Schulwege wird es für unsere Kinder nicht möglich sein diesen Schulweg alleine zu gestalten.“ Die Initiative „Quartierkids“ unterstützen 600 Unterschriften, die von der Initiative innerhalb kürzester Zeit gesammelt wurden. Reichen diese Unterstützer nicht aus, dann sind die Eltern bereit den Weg eines Bürgerbegehrens zu gehen. „Wenn Familienfreundlichkeit jedoch Veränderungsbereitschaft, Zeit und Geld kostet, dann fehlen an der einen oder anderen Stelle die Taten. … Sie als Stadt laufen Gefahr die Glaubwürdigkeit zu verlieren, nicht nur bei Familien, sondern auch als Wirtschaftstandort.“ Die Verwaltung schlug lediglich eine Kenntnisnahme des Antrages vor, Vorsitzender Dr. Jürgen Moers verschob die Entscheidung einstimmig in den Tagespunkt des Schulentwicklungsplanes.

Ähnlich kämpfen aktuell Anwohner der Süchtelner Brüder-Grimm-Schule um einen Schulplatz in der Nähe. Auch sie wünschen sich einen weiteren Klassenzug, denn ihre Wunschschule selbst hätte zwar Platz und personelle Möglichkeiten für rund 40 Familien, die vorgegebenen Aufnahmekapazitäten sind jedoch voll. „Ein weiterer Klassenzug wurde allerdings seitens der Schulverwaltung Viersen abgelehnt und wir Eltern pauschal an die katholische Grundschule ‚Martinschule‘ verwiesen“, erklärt ein Vater. „Wir als betroffene Eltern fühlen uns der freien Schulwahl für unsere Kinder beraubt. Wir haben uns alle bewusst für die Brüder-Grimm-Schule entschieden und sind fassungslos über das Agieren der Stadt Viersen.“ Diese Eltern wollen sich ebenfalls nicht mit der Absage zufriedengeben und haben sich zu einer Elterninitiative zusammengeschlossen.

„Wir waren uns ursprünglich sehr sicher, auf der Wunschschule auch einen entsprechenden Schulplatz zu erhalten. Neben dem überschaubaren Schulweg, getreu dem Motto „kurze Beine kurze Wege“, war für uns das Konzept der Brüder-Grimm-Schule entscheidend“, erklärt der Vater weiter. „Dazu zählen unter anderem ‚Französisch ab der 1. Klasse‘, das Projekt ‚1000 Trommeln‘ und der damit verbundene Unterricht, der die Kinder durch die ganze Schulzeit begleitet, aber auch einfach das rundum gute Bauchgefühl. Dann haben wir erfahren, dass von Seiten der Schule der Antrag auf eine 4. Klasse gestellt wurde, der von Seiten der Stadt allerdings abgelehnt wurde. Für uns eine absolut nicht nachvollziehbare Entscheidung.“ Die weiteren betroffenen Eltern pflichten ihm bei, dass aus ihrer Perspektive die Argumentation falsch wäre, dass die Martinschule weniger als fünfzig Anmeldungen erhalten habe. „Wir als Eltern fühlen uns hier der freien Schulwahl beraubt, wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen letztendlich unserer Tochter erklären, warum wir sie gegen unseren Willen auf eine andere Schule schicken müssen.“

Die zu niedrigen Anmeldezahlen machen dagegen der PRIMUS-Schule in Dülken zu schaffen. In den 200 Seiten des Schulentwicklungsplans wird sichtbar, dass die Anmeldezahlen für die Stufen-übergreifende Schule bis zur 10. Klasse ebenso niedrig sind wie die der Viersener Hauptschule. Der Förderverein der PRIMUS-Schule hatte deshalb Eltern, Lehrer und Schüler zur Teilnahme aufgerufen: „Wir Eltern der PRIMUS-Schülerinnen und Schüler wollen ein Zeichen setzen, dass die PRIMUS-Schule in der Schulentwicklungsplanung einen gebührenden Stellenwert bekommt.“ Hierzu hatten sie vorab Tulpen mit kleinen Fähnchen verteilt auf denen groß „PRIMUS ist Zukunft“ zu lesen war und machten mit Bannern auf sich aufmerksam. Vereidigt in seiner ersten Sitzung wurde der neue Schulleiter der PRIMUS-Schule, Georg Balster, der auf das enorme Potential der Schule in seiner Vorstellung hinwies. „Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen, weswegen wir Gesicht zeigen wollen. Wir Eltern, Schüler:innen und Lehrer:innen sind die sehr zufrieden mit dem Konzept und wünschen uns, dass der Versuch verstetigt wird“, so eine teilnehmende Mutter.

Der Schulentwicklungsplan führt aus, dass es in den letzten Jahren zu einer Abnahme der Hauptschülerzahlen gekommen, sodass momentan nun mehr 286 Schüler ihren Platz haben. Insgesamt besuchen die PRIMUS-Schule 313 Kinder. 138 Kinder sind im aufbauenden Sek 1 Bereich, dem noch zwei ganze Jahrgänge fehlen, die in den nächsten Jahren hinzukommen werden. Die Realschulen binden im Schuljahr 2020/21 1.049 Schüler. Die Gymnasien führen nun 2.442 Schüler (inkl. des privaten Albertus-Magnus-Gymnasiums mit 921 SuS). Das entspricht 47% aller Sekundarstufenschüler. Die Schulform Gymnasium bindet damit prozentuell mehr Schüler als jede andere Schulform in der Stadt Viersen. Im Schuljahr 2020/21 besuchen 3.910 Schüler die Sekundarstufe I in 150 Regelklassen (inkl. des privaten Albertus-Magnus-Gymnasiums). Dem gegenüber stehen 1.257 Schüler in der Sekundarstufe II (in der Stadt Viersen zusammengesetzt aus den Schulformen Hauptschule, PRIMUS-Schule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule). Insgesamt werden in der Stadt Viersen 5.167 Schüler in den weiterführenden Schulen beschult.

Beigeordneter Ertunç Deniz verwies darauf, dass bisher lediglich ein Entwurf des externen Planungsbüros vorliegt. Die Handlungsempfehlungen des Schulentwicklungsplaners folgen. Der Entwurf des Schulentwicklungsplans soll nun im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe beraten und bearbeitet werden, um in der Sitzung des Schulausschusses am 25. März beschlossen zu werden, die finale Entscheidung fällt in der Ratssitzung am 10. Mai 2022. (nb)

Foto: Privat